Kommentar zur Brennpunktzulage: Ziemlich unsinniges Geldausgeben

Mit der Gehaltszulage von 300 Euro für LehrerInnen an Brennpunktschulen hat Rot-Rot-Grün eine wichtige Chance vertan.

Galt lange als die Brennpunktschule schlechthin: Die Neuköllner Rütlischule Foto: dpa

Wer als LehrerIn an einer Schule mit mindestens 80 Prozent Kindern aus Sozialhilfeempfängerfamilien unterrichtet, soll ab März 300 Euro extra jeden Monat bekommen. Rot-Rot-Grün verbindet damit die Hoffnung, dass insbesondere voll ausgebildete LehrerInnen mit Staatsexamen (die an Brennpunktschulen oft Mangelware sind) nicht so schnell wieder weglaufen, weil sie anderswo den gleichen Job fürs gleiche Geld womöglich sogar bis zur Rente durchhalten können.

Diese gut gemeinten 300 Euro sind, mit Verlaub, Quatsch. Was LehrerInnen an schwierigen Schulen vor allem brauchen, das haben sie in der langwierigen Diskussion um die Zulage immer wieder betont, ist: mehr (Erholungs-)Zeit.

Doch solche „Ermäßigungsstunden“ für BrennpunktlehrerInnen, die ursprünglich mit den Millionen aus dem Qualitätspakt Quereinstieg finanziert werden sollten, scheiterten schlicht daran, dass es nicht genug Fachkräfte gibt, die man dann zusätzlich hätte einstellen müssen. Die Arbeitsbedingungen ändern sich also: kein bisschen. Da kann man 300 Euro schon mal ein wenig zynisch als „Schmerzensgeld“ bezeichnen.

Einfach gemacht

Aber gut, die Millionen sind im Haushalt und müssen ausgegeben werden – und auch finanzielle Anerkennung ist ja Anerkennung. Leider haben die rot-rot-grünen Koalitionäre beschlossen, das Geld auf die denkbar einfachste Art auszugeben: Sie haben die Zulage einfach an die Quote der SozialhilfeempfängerInnen unter den SchülerInnen geknüpft. Und dann ausgerechnet, wo man die Grenze ziehen muss – eben bei besagten 80 Prozent –, damit noch ein halbwegs vernünftig aussehender Betrag für den Einzelnen bleibt.

Leider ist die Realität mitunter nicht so leicht in eine griffige Formel zu zwingen – wie auch der Protest der LehrerInnen an der Neuköllner Otto-Hahn-Schule zeigt. Armer Schüler gleich schwieriger Schüler mit Förderbedarf, diese Gleichung geht eben nicht (immer) auf und sie ist deshalb, in ihrer Einfachheit, auch diskriminierend.

Nun werden ja allerhand Daten aus den Schulen gesammelt: Zahlen über Gewaltvorfälle, über Diskriminierungsfälle, über Schulschwänzer und Schulabbrecher. Es wäre mit Sicherheit ein gewisser Verwaltungsaufwand gewesen, sich die Schulen im Einzelnen daraufhin anzuschauen. Man hätte überlegen müssen, wie man begründet, dass eine Schule etwas bekommt und die andere nicht. Aber, wie gesagt: Die Daten und das Geld dafür hätte es gegeben. So ist aus einer sinnvollen Idee ziemlich unsinniges Geldausgeben geworden.

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Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Sunny Riedel das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Davor Ressortleiterin, CvD und Redakteurin in der Berliner Lokalredaktion. Themenschwerpunkte: Bildungs- und Familienpolitik.

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