Kommentar zur Wahl in Andalusien: Das Gespür verloren

Spanien galt bislang als Land, in dem Unzufriedenheit sich nicht rechts artikuliert. Mit dem Erfolg der Vox in Andalusien hat sich das geändert.

Vox-Anhänger jubeln mit erhobenen spanischen Flaggen

Im Flaggentaumel: Anhänger der neuen Vox-Partei feiern in Sevilla ihren Wahlsieg Foto: ap

Nach den USA, Frankreich, Italien, Deutschland und Brasilien hat es jetzt auch Spanien erwischt. Der rechtsradikale Diskurs kam mit dem überraschenden Wahlerfolg der Vox-Partei in der Mitte der Gesellschaft an: in Andalusien, der bevölkerungsreichsten Region der Iberischen Halbinsel. Dabei galt Spanien seit der Geburt der Empörtenbewegung 2011 und der späteren Gründung der linksalternativen Podemos vielen als ein Land, wo Unzufriedenheit nicht nach rechts drängt.

Korruption und Machtarroganz haben zu einem Aufstand gegen die herrschende Klasse geführt. Bis zu den Wahlen am Sonntag galt es als ausgemacht, dass dieses Unbehagen bei Podemos und deren Wahlbündnissen, die die wichtigsten Städte des Landes regieren, gut aufgehoben ist. Das hat sich jetzt geändert. Viele, die mit der sozial­demokratischen PSOE gebrochen haben, blieben, anders als 2015, zu Hause oder liefen zu Vox über. Was in Andalusien geschah, erinnert stark an die USA, wo die Demokraten-Elite viele dermaßen enttäuschte, dass diese entweder gar nicht wählten oder eben den vermeintlich neuen Donald Trump. Podemos hat, anders als Vox, das Gespür für diese Entwicklung verloren.

Die Linksalternativen sind zu schnell gealtert. Nach internen Streitigkeiten übernahmen jene das Ruder, die den frischen Wind zum lauen Lüftchen verkommen ließen, indem sie sich mit den Postkommunisten zusammen schlossen, was viele WählerInnen enttäuschte. Wenn Podemos-Chef Pablo Igle­sias jetzt von einer „antifaschistischen Front“ redet, hat er nichts verstanden. Eine Spaltung Spa­niens in zwei Lager – das erinnert an die tragische Geschichte von Bürgerkrieg und anschließender ­Diktatur. Vox wird das sicher gefallen.

Und mit wem will er diese Front bilden? Etwa mit denen, die zusammen mit Vox für die Einheit Spaniens durch Barcelona zogen, statt nach politischen Lösungen des Katalonienkonflikts zu suchen? Unter ihnen waren auch namhafte PSOE-Vertreter wie Außenminister Josep Borrell. Sie machten Vox überhaupt erst hoffähig.

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Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.

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