Kommunalwahl in Istanbul: Säkular und solide

Ekrem İmamoğlu wird wohl Bürgermeister von Istanbul. Der 49-Jährige ist kein Parteiideologe, sondern ein pragmatischer Lokalpolitiker.

Porträt von Ekrem İmamoğlu

Der Oppositionskandidat Ekrem İmamoğlu ist erfolgreich, weil er gut integrieren kann Foto: reuters

ISTANBUL taz | Als der Wahlabend in der Nacht von Sonntag auf Montag zu kippen drohte, erschien Ekrem İmamoğlu, der Kandidat der Opposition für das Oberbürgermeisteramt in Istanbul, mehrfach auf den TV-Schirmen der Nation und ermahnte die Mitglieder der Wahlkommission zu Fairness und Anstand. Lassen Sie keine Manipulation der Wahlergebnisse zu, war sein Credo in der Wahlnacht.

Als die Wahlkommission am Montagvormittag entgegen der Behauptung seines mächtigen Gegenkandidaten, des Ex-Ministerpräsidenten Binali Yıldırım, dann tatsächlich bekannt gab, dass İmamoğlu in Istanbul knapp in Führung liegt, war das vielleicht auch ein wenig auf seine unbeugsame Haltung und seine unbedingte Korrektheit in der Wahlnacht zurückzuführen. Denn der 49-jährige Ekrem İmamoğlu ist kein Parteiideologe, sondern ein grundsolider, pragmatischer Lokalpolitiker, der es versteht, die Menschen für sich einzunehmen.

Vor seiner Kandidatur für das Amt des Bürgermeisters war er fünf Jahre lang Bezirksbürgermeister der Istanbuler Trabantenstadt Beylikdüzü, eines der gesichtslosen Vororte der Stadt, die in den letzten 20 Jahren enorm gewachsen sind. Wie sein großer Gegner Recep Tayyip Erdoğan kommt auch İmamoğlu vom Schwarzen Meer; sein Vater gründete in dem neu entstandenen Vorort in den 90er Jahren eine kleine Baufirma und ein kleines Köfte-Restaurant. Wie Erdoğan hat er in seiner Jugend erfolgreich Fußball gespielt und war zeitweilig im Vorstand der Erstligavereins Trabzun-Spor. Ekrem İmamoğlu wirkt auf den ersten Blick bieder, aber er brennt für seine Aufgabe.

Erst 2009 wurde er der Bezirksvorsitzende der sozialdemokratischen CHP in Beylikdüzü, bereits 2014 gelang es ihm bei den Kommunalwahlen, die vormalige AKP-Hochburg klar zu gewinnen. Als Bezirksbürgermeister war er erfolgreich, ließ Parks anlegen und schuf Gemeinschaftseinrichtungen, die dem Bezirk ein Gesicht geben. Trotzdem war er zu Beginn des Wahlkampfes ein weithin unbekannter Überraschungskandidat. In den oberen Rängen der CHP spielte er keine Rolle, in parteiinterne Intrigen war er nicht involviert.

Er wirkt unbestechlich und bescheiden

Ekrem İmamoğlu ist erfolgreich, weil er gut integrieren kann. Er ist persönlich religiös, steht aber für die säkulare Republik. Er wirkt unbestechlich und bescheiden, aber trotzdem selbstbewusst. Mit seiner Frau und drei Kindern bildet er das Musterbeispiel einer erfolgreichen modernen Familie, die sich durch eigene Anstrengung von unten hervorgearbeitet hat. Für die AKP ist er deshalb ein gefährlicher Gegner. An İmamoğu (sein Name bedeutet auch noch Sohn des Imam) prallen die „Terror“-Diffamierungen Erdoğans glatt ab. Niemand, der ihn im Amt oder auf der Rednertribüne erlebt hat, glaubt, dass dieser Mann mit der PKK im Bunde sein soll.

Es wird noch einige Tage dauern, bis entschieden ist, ob Ekrem İmamoğlu tatsächlich der Oberbürgermeister der größten türkischen Metropole wird. Der Sieger von Istanbul ist er aber bereits jetzt.

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