Konflikt auf der Krim: Aufmarsch an russischer Küste

Ukrainische Grenztruppen berichten, dass Panzer an der russischen Küste, gegenüber der Krim, stationiert werden. Zuvor hatten Soldaten Stützpunkte in Simferopol umstellt.

Russische Soldaten am Sonntag im Simferopol. Bild: ap

KIEW/BERLIN/MOSKAU afp/dpa/rtr | An der russischen Küste nahe der Halbinsel Krim kommt es nach Angaben ukrainischer Grenztruppen zu einem Aufmarsch gepanzerter Fahrzeuge. Diese bezögen Stellung bei einem Fährhafen auf der russischen Seite eines nur wenige Kilometer breiten Kanals, der die Krim von Russland trennt, sagte ein Sprecher der Grenztruppen am Montag.

Russische Schiffe hätten zudem mit Manövern im Schwarzen Meer vor Sewastopol begonnen. Die russische Schwarzmeerflotte ist in der Hafenstadt auf der Krim stationiert. Auf der Krim werde zudem das Mobilfunknetz teilweise durch Russland blockiert. Putin hatte zuletzt mit einem Militäreinsatz gegen die Ukraine gedroht, um so die Lage auf der Halbinsel Krim zu stabilisieren. Einen offiziellen Marschbefehl gab es aber noch nicht. Russland setze darauf, dass die Erlaubnis des Föderationsrats für Kremlchef Putin, notfalls das Militär zum Schutz russischer Bürger in der Ukraine einzusetzen, bereits eine „ernüchternde Wirkung“ habe. Das russische Militär hat inzwischen nach US-Erkenntnissen „totale operative Kontrolle“ auf der Halbinsel Krim.

Der neue prorussische Krim-Regierungschef Sergej Aksjonow hat die Machtübernahme auf der Schwarzmeer-Halbinsel verteidigt. In der ukrainischen Hauptstadt Kiew hätten Politiker auf dem Maidan zuletzt das Volk aufgerufen, die Macht in die eigenen Hände zu nehmen. „Nun, das Volk hat sie genommen“, sagte Aksjonow in einem am Montag veröffentlichten Interview der russischen Regierungszeitung Rossijskaja Gaseta. Was für die Hauptstadt Kiew gelte, müsse auch für die Autonome Republik Krim gelten, betonte er. Dagegen hält er die neue ukrainische Regierung in Kiew nach dem Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch für illegitim.

Ebenso äußerte sich der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew. Er betonte, dass er die Übergangsregierung in Kiew nicht anerkenne. Auch wenn Janukowitsch seine Autorität nahezu eingebüßt habe, sei er „laut der Verfassung noch immer der legitime Staatschef“, erklärte er am Montag im sozialen Netzwerk Facebook. Russland hatte dem gestürzten Präsidenten nach dem Machtwechsel in Kiew Zuflucht gewährt. Die Absetzung Janukowitschs nannte Medwedew „willkürlich“.

Diplomatische Bemühungen

Die internationale Gemeinschaft nach den militärischen Drohungen aus Moskau ihrerseits ein diplomatisches Warnsignal an den Kreml geschickt. Die sieben führenden Industrienationen der Welt (G7) setzten in der Nacht zum Montag alle Vorbereitungstreffen für den G8-Gipfel mit Russland im Juni in Sotschi aus.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) warf Präsident Putin am Sonntagabend in einem Telefonat vor, mit der „unakzeptablen russischen Intervention auf der Krim gegen das Völkerrecht verstoßen zu haben“. US-Präsident Barack Obama erörterte am Sonntagabend unter anderem mit Merkel und dem britischen Premier David Cameron weitere Schritte.

Die sieben führenden Industriestaaten (G7 – USA, Kanada, Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Italien und Japan), die zusammen mit Russland die G8 bilden, verurteilten das russische Vorgehen auf der Krim als „klare Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine“ und Verstoß gegen internationale Verpflichtung.

Die G7-Staaten und die EU riefen Moskau außerdem auf, etwaige Sicherheits- oder Menschenrechtsbedenken direkt in Kiew anzusprechen oder eine Vermittlung oder auch Beobachtung der Vereinten Nationen oder Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu akzeptieren. „Wir stehen bereit, bei diesen Bemühungen zu helfen“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der G7. Der Gipfel in Sotschi gilt nach den Olympischen Winterspielen als weiteres Prestigevorhaben Putins.

Entsendung internationaler Beobachter

Nach Darstellung der Bundesregierung akzeptierte Putin Merkels Vorschlag, eine sogenannte „Fact finding mission“ zur Untersuchung der Lage in der Ukraine zu starten. Außerdem solle eine Kontaktgruppe gebildet werden, um einen politischen Dialog zu beginnen. Diese könnte unter Leitung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) stehen.

Auch die Nato regte die Entsendung internationaler Beobachter unter der Ägide des UN-Sicherheitsrates oder der OSZE an. Wichtig sei ein politischer Prozess in der Ukraine, bei dem auch die Rechte von Minderheiten respektiert würden, hieß es am Abend in einer Erklärung der Botschafter der 28 Nato-Staaten.

Die Nato-Regierungen verurteilten das Vorgehen Russlands scharf, verzichteten aber auf jedwede Drohungen. Am Montag kommen in Brüssel die Außenminister der EU zu einer Sondersitzung zur Lage in der Ukraine zusammen.

Verstoß gegen Völkerrecht

Merkel und Obama waren sich einig, dass Putin mit der Intervention auf der Krim gegen das Völkerrecht verstößt. Wie der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter in der Nacht zum Montag mitteilte, stimmten Merkel und Obama bei ihrem Telefonat zudem darin überein, dass es jetzt besonders auf die Einigkeit der internationalen Gemeinschaft „im Angesicht des Unrechts ankommt“. Beide betonten, dass nur eine politische Lösung geeignet sei, die Probleme zu lösen.

Cameron und Obama forderte Russland auf, einen direkten Dialog mit der ukrainischen Führung aufzunehmen. „Wir waren uns einig, dass Russlands Aktionen inakzeptabel sind“, twitterte Cameron nach dem Gespräch. Russland müsse mit „bedeutenden Kosten“ rechnen, sollte es seinen Kurs nicht ändern.

Russland versicherte, es wolle keinen Krieg mit der Ukraine. „Wir sind dagegen, dass jemand diese Terminologie verwendet im Verhältnis mit der uns nahen Ukraine“, sagte Vizeaußenminister Grigori Karassin im Staatsfernsehen. Russland werde alles tun, um die bilateralen Beziehungen zu festigen – „zumal davon die Stabilität in Europa“ abhänge. „Das sollten auch die westlichen Politiker verstehen, die uns mit den letzten Worten beschimpfen“, sagte der Diplomat.

US-Außenminister John Kerry will zur Unterstützung der Ukraine im Konflikt mit Moskau am Dienstag nach Kiew reisen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon schickte am Sonntag seinen Stellvertreter Jan Eliasson in die Ukraine. Dort solle sich Eliasson ein Bild der Situation machen, um dann Ban zu beraten, welche Schritte die UN zur Deeskalation unternehmen könnten.

Einfluss auf die Wirtschaft

Der Euro ist am Montag weiter unter die Marke von 1,38 US-Dollar gefallen. Die Sorge vor einer Eskalation der Lage in der Ukraine habe die Risikofreude der Anleger gedämpft, sagten Händler mit Blick auf den schwachen Wochenauftakt der Gemeinschaftswährung. Am Morgen stand der Euro bei 1,3779 Dollar.

Die russische Börse ist wegen der Krim-Krise auf Talfahrt: Der Moskauer Börsenindex MICEX brach um 5,89 Prozent ein, der Index RTS sackte nach Börsenöffnung um 7,08 Prozent in den Keller. Der Rubel stürzte auf ein historisches Tief gegenüber Euro und Dollar. Ein Euro kostete erstmals mehr als 50 Rubel.

Die Krim-Krise machte sich auch auf den asiatischen Aktienmärkten und bei den Ölpreisen bemerkbar. Beispielsweise konstete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im April im frühen Handel 110,67 US-Dollar. Das waren 1,60 Dollar mehr als am Freitag.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.