Konflikt in der Ukraine: „Russland will Dritten Weltkrieg“

Der ukrainische Regierungschef Jazenjuk bezichtigt Putin, einen Weltkrieg anzetteln zu wollen. Separatisten haben derweil OSZE-Militärbeobachter in ihre Gewalt gebracht.

Ein pro-russischer Bewaffneter in Slawjansk. Bild: reuters

KIEW/BERLIN afp/dpa | Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk hat Russland vorgeworfen, einen „dritten Weltkrieg“ anzetteln zu wollen. Das „aggressive“ Vorgehen der russischen Armee in der Ukraine werde zu einem Konflikt auf europäischem Territorium führen, sagte er am Freitag bei einem Kabinettstreffen, das im Fernsehen übertragen wurde. Die Welt habe den Zweiten Weltkrieg noch nicht vergessen, und Moskau wolle einen dritten Weltkrieg beginnen.

Derweil haben Prorussische Separatisten der ukrainischen Regierung zufolge in Slawjansk einen Bus mit OSZE-Militärbeobachtern in ihre Gewalt gebracht, darunter auch drei Deutsche. Die insgesamt sieben OSZE-Vertreter sowie fünf ukrainischen Militärs und der Fahrer des Wagens seien unter Zwang zum örtlichen Gebäude des Geheimdienstes gebracht worden, teilte das Innenministerium in Kiew am Freitag mit.

Der örtliche Separatistenführer Wjatscheslaw Ponomarjow bestätigte der Agentur Interfax zufolge, dass ein Bus festgehalten worden sei. Ob es sich bei den Passagieren um OSZE-Mitarbeiter handele, werde geprüft. In dem Bus hätten sich Patronen und Sprengsätze befunden. Die Gruppe werde derzeit im Gebäude des Geheimdienstes befragt, das von Gegnern der Zentralregierung in Kiew besetzt sei.

Slawjansk wird insgesamt von bewaffneten prorussischen Kräften kontrolliert. Die Stadt ist von regierungstreuen ukrainischen Einheiten umstellt. Der Kontakt mit der Gruppe war am Mittag abgebrochen. Der festgesetzten Gruppe gehören der Staatsagentur Itar-Tass zufolge drei deutsche Soldaten und ein deutscher Dolmetscher sowie je ein Militärbeobachter aus Dänemark, Polen, Schweden und Tschechien an.

Ein „internationales Verbrechen“

„Wir fordern die internationale Gemeinschaft auf, sich gemeinsam gegen die russische Aggression zu wenden“, sagte der Chef der ukrainischen Übergangsregierung weiter. Russlands Unterstützung von „Terroristen in der Ukraine“ sei ein „internationales Verbrechen“, fuhr er mit Bezug auf prorussische Gruppen im Osten der Ukraine hinzu, die in der Region in mehreren Städten Verwaltungsgebäude besetzt halten.

Die ukrainische Armee hatte im östlichen Slawjansk am Donnerstag einen Einsatz gegen die prorussischen Besetzer gestartet. Moskau hatte daraufhin mit Konsequenzen gedroht und neue Militärmanöver an der Grenze angeordnet. Die Ukraine sowie der Westen auf der einen und Russland auf der anderen Seite werfen sich gegenseitig vor, für die Eskalation verantwortlich zu sein.

Nach Angaben aus Kiew ist am Freitag ein ukrainischer Militärhubschrauber auf dem Flughafen von Kramatorsk durch eine Rakete getroffen und zerstört worden. Ein Helikopter vom Typ Mi-8 sei auf dem Militärflughafen im Osten der Ukraine explodiert, teilte das Verteidigungsministerium mit. Der Offizier Wassyl Krutow von den ukrainischen Spezialkräften sagte der Nachrichtenagentur Interfax Ukraine, der Helikopter habe sich am Boden befunden, als er von der Rakete getroffen wurde. Der Kommandeur der Maschine sei bei der Explosion verletzt worden.

Kramatorsk befindet sich wenige Kilometer von der Stadt Slawjansk entfernt, die seit Tagen von prorussischen Milizen kontrolliert wird. Bei einer Offensive der ukrainischen Armee wurden dort am Donnerstag nach Angaben aus Kiew bis zu fünf prorussische Kämpfer getötet. Die Stadt bleibt aber weiterhin in der Hand der Aufständischen, die nach Ansicht Kiews und des Westens von russischen Spezialeinheiten unterstützt werden. Russland bestreitet dies und bezeichnet die Milizen als örtliche Bürger, die über den Kurs der neuen Regierung in Kiew beunruhigt sind.

Freier Zugang für OSZE-Beobachter

Derweil hat die ukrainische Regierung den OSZE-Beobachtern trotz der weiter angespannten Lage freien Zugang zu allen Teilen des krisengeschüttelten Landes zugesichert. Die Führung in Kiew stehe zu ihrer Zusicherung, mit einer Verfassungsreform einzelnen Regionen der Ex-Sowjetrepublik mehr Rechte zuzugestehen, sagte Regierungschef Arseni Jazenjuk am Freitag in Kiew.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat vom russischen Präsidenten Wladimir Putin ein klares Bekenntnis zu den Genfer Vereinbarungen für die Ukraine verlangt. Merkel forderte Putin nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in einem Telefonat dazu auf, öffentlich deutlich zu machen, dass er die Vereinbarungen aus der vergangenen Woche „voll unterstützt“. Zugleich warf Seibert Russland vor, bislang keine einzige Zusage aus Genf umgesetzt zu haben. „Nichts davon ist bisher geschehen.“

Merkel stellte ferner klar, dass auch Deutschland bei einer Zuspitzung des Konflikts zu weiteren Sanktionen bereit sei. „Da möge sich keiner täuschen. Diese Bereitschaft besteht weiterhin“, sagte Seibert. Im Laufe des Tages soll es zur Entwicklung im Osten der Ukraine noch eine Telefonkonferenz der Kanzlerin mit US-Präsident Barack Obama und europäischen Staats- und Regierungschefs geben.

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