Konflikt um „Areal Ratiborstraße 14“: Kreuzberger Mischung bleibt erhalten

Der Bezirk hatte geplant, auf dem Gelände eine Unterkunft für 500 Geflüchtete zu bauen. Nach Protesten fällt diese nun kleiner aus.

Drei Menschen tragen einen Stahlträger über das Gelände des Gewerbehofes Ratiborstraße in Kreuzberg

Auf dem Gewerbehof Ratiborstraße:Tischlerin Miriam Demmelhuber und zwei Metallbauer bei der Arbeit Foto: Wolfgang Borrs

Gemeinschaftliches Wohnen und Arbeiten statt Massenunterkünfte – im Streit um den geplante Bau einer Modularen Unterkunft für Flüchtlinge (MUF) auf dem Areal der Ratiborstraße 14 in Kreuzberg zeichnet sich eine Lösung zwischen Bezirk, Senat und Nutzer*innen ab. Statt der Schaffung der ursprünglich geplanten 500 MUF-Plätze und der damit einhergehenden Verdrängung der bisherigen Nutzer*innen sieht eine vom Bezirk in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie nun eine deutlich reduzierte Anzahl an Plätzen vor, die eine gemeinsame Nutzung durch Geflüchtete und Gewerbetreibende ermöglicht.

Das drei Hektar große Gelände am Dreiländereck – wie die Grenze zwischen den Bezirken Kreuzberg, Neukölln und Treptow genannt wird – ist eine der wenigen verbleibenden Freiflächen in Kreuzberg.

Doch das Areal ist alles andere als eine leere Brache, es ist ein Rückzugsort für Handwerksbetriebe, die im durchgentrifizierten Kiez kein Platz mehr finden. „Viele von uns sind schon woanders in Kreuzberg rausgeflogen“, erklärt Moritz Metz, der auf dem Gelände eine kleine Werkstatt hat, von der aus er eine Bastelradiosendung produziert. Aufgrund hoher Gewerbemieten und Lärmbelästigungsbeschwerden gebe es in Kreuzberg kaum noch Handwerk, so Metz. Rund 80 Arbeitsplätze gibt es derzeit auf dem Gelände, aber auch einen Biergarten, eine Kita und einen Wagenplatz.

Als im März vergangenen Jahres der Senat die Bezirke dazu verpflichtete, je 1.000 neue Plätze für die kurzfristige Unterbringung von Geflüchteten durch den Bau von MUFs zu schaffen, gab es Aufregung. Neben einem Standort an der Alten Stralauer Straße sollten auch auf dem Gelände der Ratiborstraße 500 Plätze in Form von in Schnellbauweise gefertigten MUF-Wohnblöcken entstehen. Platz für die bisherigen Nutzer*innen war nicht vorgesehen.

„Niemand spricht sich hier gegen die Unterbringung von Geflüchteten an dem Standort aus“, erklärt Frieder Rock, Mitautor der Machbarkeitsstudie, die Problematik. „Andererseits wurden die Handwerker hier schon mal vertrieben und ein einzigartiger Naturraum soll erhalten werden.“

„Wir wollen eine gute Lösung“

Die Kritik richtet sich nicht nur gegen die Verdrängung der bisherigen Nutzer*innen, sondern auch gegen die Politik des Senats, Geflüchtete in Massenunterkünften unterzubringen. „Unabhängig vom Standort ist 500 eine verrückte Zahl“, so Rock, „das wird ein Getto für sich.“ Eine Integration in den Kiez wäre so kaum möglich, zumal mit dem Bau der MUFs keine entsprechende In­frastruktur neu geschaffen würde. Franziska Ebeler, Anwohnerin und Mitgründerin der Nachbarschaftsinitiative „Ratibor14“, sieht das ähnlich: „Wir wollen eine gute Lösung für die neue und alte Nachbarschaft.“

Nachbar*innen und Nutzer*innen erarbeiteten gemeinsam Alternativen. Ihr Vorschlag: Eine auf 100 bis 150 reduzierte Anzahl an Plätzen – dafür bleiben das bestehende Kleingewerbe und der Wagenplatz erhalten. Zwischen den Wohneinheiten und den Handwerksbetrieben soll eine Pufferzone aus sozial genutzten Räumen entstehen. „Die Handwerksbetriebe könnten als Lehrwerkstätten zur Integration der Geflüchteten beitragen“, schlägt Metz vor.

80 Arbeitsplätze gibt es hier und Biergarten, Kita und einen Wagenplatz

Viele der Ideen fanden Eingang in die im Juli von Bezirksstadtrat Florian Schmidt (Grüne) in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie, die am Montag vorgestellt wurde. Schmidt diskutierte unter anderem mit Vertretern der Senatsverwaltung über die Zukunft des Areals.

„Es gibt viele Konsenspunkte“, fasst Schmidt gegenüber der taz zusammen. Die kurzfristige Unterbringung von Geflüchteten soll ermöglicht werden, das vorhandene Gewerbe soll dabei gesichert werden und eine integrative Funktion übernehmen. Alle beteiligten Akteure sollen dafür weiterhin miteinander kooperieren. „Damit hat das Areal Modellcharakter“, so Schmidt.

Weg von Massenunterkünften

Daniel Tiez (Linke), Staatssekretär für Integration, ist dem Projekt gegenüber grundsätzlich aufgeschlossen, verwies aber darauf, dass die Forderungen des Senats umgesetzt werden müssten: „Wir haben weiterhin einen sehr hohen Bedarf an Unterbringungsplätzen“, sagte Tiez der taz.

Ob die Vorschläge der Machbarkeitsstudie realisiert werden können, hängt vor allem davon ab, ob Friedrichshain-Kreuzberg in der Lage sein wird, rechtzeitig notwendige Ergänzungsflächen zu finden. Insgesamt prüfe man derzeit sieben weitere Standorte. „Wir sind ein verdichteter Bezirk“, erklärt Schmidt, „aber wir gucken flexibel in alle Richtungen.“

Generell wolle man weg von Massenunterkünften, hin zu einer dezentralen, partizipativen Struktur für Geflüchtete, so Schmidt. Ähnlich sieht es Franziska Ebeler: „Wir fordern ein integratives, auf Dauer angelegtes Wohnen, die Schaffung von echtem Wohnraum abgestimmt auf vorhandene Infrastruktur.“

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