Konzertmarathon von John Zorn: Wunderschön fließend

Das Moers-Festival widmet dem New Yorker Freejazz-Saxofonisten John Zorn in diesem Jahr einen ganzen Tag mit mehreren Konzerten in Serie.

Unruhiger Geist: John Zorn am Freitag in Moers. Bild: Patrick Essex

Fast begann alles wie immer. Die Band spielt die ersten Töne von Naked Citys „Batman“. Die Surfgitarre dengelt, das Schlagzeug knüppelt und Sänger Mike Patton röchelt wie in jenen Tagen, aus denen er sein Outfit aus Baggypants und Hoodie aufgetragen hat. Nach etwas über zwei Minuten ist Schluss. Welcome back, John Zorn! Schön, dass Sie der Alte geblieben sind.

Zum „Zorntag“ hat das Moers Festival am Freitagabend geladen. Gefeiert wird der 60. Geburtstag des New Yorker Free-Jazz-Komponisten, dessen Auftritte in Deutschland eine Rarität sind. Für sein „Song Project“ hat er einen Teil seines Repertoires zu Songs umgearbeitet, für die sein New Yorker Familienersatz Texte geschrieben hat. Es ist Zorns Version des Great American Songbook – mal melodiös von der sanften Stimme Jesse Harris’ getragen, mal von Mike Pattons Gutturalgesang in Richtung Spaghetti-Western verschoben.

Und Zorn saß in seiner Lieblingsrolle als Dirigent am Rand seines Ensembles, verlängerte mal das Drumsolo, holte mal die Gitarre in den Vordergrund und vergaß dabei nie den Song. Kontrollierter Eklektizismus, wie immer bei Zorn, nur dass er noch nie so wunderschön fließend daherkam.

Danach widmet sich Zorn seinem neuestem, in Deutschland wenig beachtetem Interesse: der christlichen Mystik. Eine lateinische Chorperformance im Andenken an Hildegard von Bingen? Check. Ein humorvoller Tribut an den elisabethanischen Alchimisten John Doe durch das Arditti Streichquartett? Check. Und auch die Tempelritter dürfen in dieser Aufzählung nicht fehlen.

Der Dirigent am Rand

Mike Patton stilisierte ihre Geschichte mit seinem Quartett „Templars“ und einer Stimmlage zwischen Priester und Folteropfer zu einem katholischen Horrorfilm: Zu camp, um wahr zu sein. Das Ende des Abends gehört dann John Zorns eigenem Auftritt. Der sanft fließende Jazzrock von „Dreamers“, der selbstvergessen um Vibraphone und die Gitarre von Mark Ribot kreist, geht nahtlos in die Performance von „Electric Masada“ über.

Vielleicht ist dies das Projekt, das Zorns Idee einer „Radical Jewish Culture“ am nächsten kommt. Zorn schnallt sich das Saxofon an, improvisiert über die Klezmermelodien seiner Band, dirigiert die Improvisation aus Drums, Gitarre, Bass und den digitalen Texturen der Avantgarde-Musikerin Ikue Mori.

Die Musik pendelt zwischen melodiöser Verdichtung der einzelnen Motive und freier Improvisation. Und am Rand sitzt Zorn im orangefarbenen T-Shirt und Tarnhose und kann sich das Grinsen nicht verkneifen. Dann ist Schluss. Standing Ovations, minutenlang. Welcome back, John Zorn! Sie haben gefehlt.

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