Kooperation Wikipedia und Elsevier: Umstrittener Deal

Der Wissenschaftsverlag Elsevier gibt einigen Wikipedia-Editoren kostenlosen Zugriff auf seine Publikationen. Das führt zu heftiger Kritik.

Studenten arbeiten in der Bibliothek der Universität Darmstadt

Auf Fachliteratur angewiesen: Leseplätze in der Universitätsbibliothek Darmstadt. Foto: dpa

Eine Spende, die Wikipedia-Editoren helfen soll, wissenschaftliche Artikel zu verbessern – so schreibt es der Wissenschaftsverlag Elsevier in einer Meldung auf seiner Webseite. Elsevier gewährt einigen ausgewählten Autoren der Wikipedia kostenlosen Zugriff auf das Portal ScienceDirect, das zahlreiche wissenschaftliche Fachartikel aus verschiedensten Disziplinen bereitstellt.

Für den Biologen Michael Eisen ist es ein vergiftetes Geschenk. „Ich bin schockiert zu sehen, dass die Wikipedia Hand in Hand mit Elsevier daran arbeitet, die Enzyklopädie mit Artikeln zu füllen, auf die Menschen nicht zugreifen können“, kritisiert Eisen die Kooperation auf Twitter. Eisen ist einer der bekanntesten Köpfe der Open-Access-Bewegung und Mitbegründer der wissenschaftlichen Fachzeitschrift PLOS.

Die Open-Access-Vertreter fordern, dass wissenschaftliche Ergebnisse, insbesondere wenn sie aus Steuergeldern finanziert wurden, grundsätzlich kostenlos für alle im Netz lesbar sein sollten. Ein teures Angebot wie ScienceDirect ist für Open-Access-Verfechter daher ein rotes Tuch. Dort muss man für den Zugriff auf einen einzelnen Artikel jeweils etwa 30 Dollar zahlen.

Eigentlich verbindet die Wikipedia und die Open-Access-Bewegung viel. Die Wikipedia veröffentlicht so wie die meisten Open-Access-Zeitschriften ihre Inhalte unter einer freien Creative-Commons-Lizenz, die nicht nur die Weiterverbreitung, sondern auch das Verändern der Inhalte erlaubt. Beide eint das Ziel, möglichst viel Wissen frei verfügbar bereitzustellen.

Freier Zugriff auf das Wissen

„Stellt euch eine Welt vor, in der jede einzelne Person auf dem Planeten freien Zugriff auf die Summe allen menschlichen Wissens hat“ – so beschreibt Wikipedia-Gründer Jimmy Wales den Zweck der Online-Enzyklopädie. So überrascht es auch nicht, dass die Wikipedia an vielen Stellen mit der Open-Access-Gemeinde kooperiert.

Dass Vereinbarungen wie die mit Elsevier nicht ganz unproblematisch sind ist der Wikipedia selbst klar. Auf der Webseite gibt es dazu eine ausführliche Erklärung. „Wir glauben auch, dass es traurig ist, dass wir um solche Spenden bitten müssen und Wikipedias Wert als Portal an Verleger verkaufen.“ In der Begründung wird klar, wie schwer man sich dort mit derartigen Entscheidungen tut. Man wolle die besten Inhalte als Quellen nutzen, und die befänden sich häufig hinter Paywalls.

Doch an anderer Stelle geben sich prominente Wikipedia-Vertreter weit weniger selbstkritisch. „Wir sind begeistert, dass wir Elsevier unter unseren Partnern bei der ‚Wikipedia Library‘ haben, die unseren Freiwilligen helfen, die weltgrößte freie Enzyklopädie zu erstellen“, wird etwa Alex Stinson, der Manager der Wikipedia Library, in der Elsevier-Meldung zitiert. Genau hier sieht Eisen das größte Problem. Elsevier nutze die Wikipedia, um sich selbst einen besseren Ruf zu verschaffen. Er bezeichnet die Aktion von Elsevier als „Openwashing“.

Bevorzugte Quellen

Interessant sind die Richtlinien, die für die Position der Wikipedia entscheidend sind. Die Wikipedia legt großen Wert darauf, alle Inhalte mit Quellen zu belegen. Bei der Wahl der Quellen soll die Verfügbarkeit jedoch explizit keine Rolle spielen. Das steht im deutlichen Kontrast zu anderen Regelungen. So heißt es etwa in der englischen Wikipedia, dass Quellen in anderen Sprachen zwar erlaubt sind, aber englischsprachige Quellen bevorzugt werden sollen. Eine ähnliche Bevorzugung von öffentlich verfügbaren Quellen gegenüber kostenpflichtigen Inhalten hinter Paywalls gibt es jedoch nicht.

Neu sind derartige Kooperationen mit wissenschaftlichen Fachpublikationen übrigens nicht. Unter dem Dach des Projekts „Wikipedia Library“ können besonders aktive Wikipedia-Editoren unter bestimmten Bedingungen Zugriff auf zahlreiche Wissenschaftsdatenbanken erhalten.

Dass die Debatte jetzt hochkocht, dürfte am Namen Elsevier liegen. Der Fachverlag hat in der Open-Access-Gemeinde einen besonders schlechten Ruf. Vor einigen Jahren hatte Elsevier in den USA versucht, mittels eines Gesetzes den zunehmenden Open-Access-Bemühungen einiger öffentlicher Institutionen einen Riegel vorzuschieben. Einige Wissenschaftler haben in der Vergangenheit ihre Kollegen dazu aufgerufen, Elsevier zu boykottieren.

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