Korruptionsprozess in Brasilien: Arbeiterpartei unter Druck

Der Korruptionsprozess gegen führende Politiker der Regierungspartei PT gipfelt im Vorwurf, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben.

Vor dem Obersten Gerichtshof in Brasilia demonstrieren Aktivisten gegen die korrupten Politiker. Bild: dpa

RIO taz | Der größte Korruptionsprozess in der Geschichte Brasiliens hat ein erstes Opfer gefordert. João Paulo Cunha, Bundesabgeordneter und ehemaliger Parlamentspräsident der regierenden Arbeiterpartei PT, wurde von der Mehrheit der Richter am Obersten Gerichtshof in Brasilia der Veruntreuung öffentlicher Gelder, passiver Bestechung und Geldwäsche für schuldig befunden.

Cunha kündete daraufhin Ende vergangener Woche an, seine Kandidatur als Bürgermeister der Kleinstadt Osasco im Oktober zurückzuziehen. Sein Abgeordnetenmandat wird der Politiker ebenfalls verlieren.

38 Politikern, Bankiers und Unternehmern wird seit Anfang August der Prozess gemacht. Unter ihnen ist der frühere Kabinettschef und Vertraute von Expräsident Lula da Silva, José Dirceu. Die Bundesstaatsanwaltschaft wirft ihm vor, der Drahtzieher eines ausgeklügelten Korruptionssystems gewesen sein.

Von 2003 bis zur Aufdeckung des Skandals im Jahr 2005 soll die Regierungspartei illegal Gelder beschafft haben, um bei wichtigen Regierungsvorhaben die Stimmen von Abgeordneten zu kaufen. Diese Monatszahlungen haben dem Skandal seinen Namen gegeben – Mensalão.

Neben Cunha wurden bislang mehrere Bankangestellte und Unternehmer verurteilt, unter ihnen der Publizist Marcos Valério. Er gilt als Cheforganisator der illegalen Geldbeschaffung und ist mehrfach korrupter Machenschaften beschuldigt worden. Das Strafmaß wird erst am Ende des Prozesses verkündet.

„Verstoß gegen die Verfassung“?

Die komplizierte Gerichtsordnung sieht vor, dass jeder der acht Anklagepunkte von allen Richtern nacheinander begutachtet wird. So kann sich das Verfahren noch viele Wochen hinziehen. Erst am Ende steht der gewichtigste Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung auf der Tagesordnung, der neben Dirceu ehemalige Führungspersonen der Lula-Regierung betrifft.

Der bisherige Verlauf des Prozesses bereitet der PT, die mit Dilma Rousseff nach wie vor das höchste Staatsamt innehat, zunehmend Sorgen. Die rechte Opposition und die ihr nahestehende Presse machen mit den Prozessverlauf Stimmung gegen die Regierungspartei. Dies könnte sich negativ auf die anstehenden Wahlen auswirken und nicht zuletzt auch dem Image von Lula schaden, dessen Popularität ein wichtiger Faustpfand für die Regierung Dilma ist.

Bereits am Samstag nutzte der potenzielle Präsidentschaftskandidat der rechten PSDB, Aécio Neves, die Richtersprüche gegen seine politischen Gegner. „Die PT hat sich öffentliche Unternehmen angeeignet, das Oberste Gericht hat es gerade nachgewiesen.“ Es sei eine Schande, wie eine wichtige Institution wie die staatliche Bank Banco do Brasil „benutzt wurde, um die Interessen der Partei zu bedienen“, erklärte der Senator Neves auf einer Wahlkampfveranstaltung.

Die Verteidigung von Dirceu kündigte derweil an, beim Obersten Gericht Beschwerde gegen die Beweisführung von Bundesstaatsanwalt Roberto Gurgel einzulegen. Dieser berief sich mehrfach mangels anderer Beweise auf die Aussagen von Zeugen. Für Verteidiger Oliveira Lima ist ein solches Vorgehen rechtlich äußerst fragwürdig. „Eine Verurteilung, ohne stichhaltige Beweise zu fordern, ist ein Verstoß gegen die Verfassung,“ erklärte der Anwalt des ehemaligen Ministers.

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