Krankenhaus-Hygiene: Eine unhygienische Auswertung

Nach einem „Hygiene-Atlas“ für Krankenhäuser, veröffentlicht von ARD und Correctiv, ist Bremen Schlusslicht. Doch die „Auswertung“ sagt nichts aus.

Hier wird in einem sterilen Luftstrom operiert: Rotes-Kreuz-Krankenhaus Bremen Foto: Ingo Wagner/ dpa

BREMEN taz | Bremens Krankenhauslandschaft genießt keinen guten Ruf: Zu sehr ist vielen noch immer der Keim-Skandal im Klinikum Bremen-Mitte im Gedächtnis: Drei Frühgeborene sind 2011 gestorben, weil sie sich dort mit resistenten Darmkeimen infizierten. Jetzt hat das Recherchezentrum Correctiv gemeinsam mit der ARD eine Datenbank veröffentlicht, die beweisen soll: Bremen hat nichts daraus gelernt. Denn fast die Hälfte der bremischen Kliniken erfüllen demnach nicht die Mindestanforderungen für Hygiene – das wäre der bundesweit schlechteste Schnitt.

Woraus sich die Auswertung zusammensetzt, ist auf der Internetseite von Correctiv verbraucherfreundlich aufbereitet: Auf einer Deutschlandkarte sind mit grünen, rosafarbenen und roten Punkten alle Krankenhäuser markiert, wobei grün für „alles in Ordnung“, rosa für „Minimalkriterien nicht erfüllt“ und rot für „kein Krankenhaushygieniker“ steht. Mittels Suchfunktion können einzelne Städte angewählt werden.

Gibt man hier nun Bremen ein, erscheinen sieben grüne und drei rosafarbene Punkte. In Bremerhaven erscheinen drei rosafarbene Punkte und ein grüner. Das ergibt: Vierzehn Krankenhäuser, von denen sechs laut Correctiv die Minimalkriterien für Krankenhaushygiene nicht erreicht haben – also 43 Prozent.

Die „Minimalkriterien“ erläutert ein Fenster, das sich öffnet, sobald ein Krankenhaus angeklickt wird: Dort stehen Name und die Anschrift der Klinik, ihre Bettenzahl und die vier Kriterien Krankenhaushygieniker, Hygienefachkräfte, hygienebeauftragte Ärzte und hygienebeauftragte Pfleger. Ob und wie viele dieser „Hygiene-Spezialisten“ in den Kliniken tätig sind, hat Correctiv der Referenzdatenbank des gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) entnommen, in der die Qualitätsberichte der Krankenhäuser veröffentlicht werden. Die Zahlen sind freilich aus dem Jahr 2014 – die Berichte aus dem Jahr 2015 werden erst Ende Januar veröffentlicht.

Klinikinterne Hygiene-Fortbildungen oder Hände- und Flächendesinfektion scheinen nicht relevant zu sein

In Bremen verfügte 2014 jede Klinik über einen Hygieniker, also einen Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin oder für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie. Nicht jedes Haus hatte jedoch einen eigens angestellten Hygieniker, sondern zog zur Beratung der Krankenhausleitung und des Personals einen externen Fachmann hinzu. Grund genug, um der entprechenden Klinik das rosa Etikett „Mindeststandards nicht erfüllt“ zu verpassen.

Bloß: „Erst seit dem Jahr 2013 ist es für Häuser mit mehr als 400 Betten Pflicht, einen hauptamtlichen Hygieniker zu beschäftigen“, sagt Heiko Ackermann, stellvertretender Geschäftsführer der Bremer Krankenhausgesellschaft. Ein Problem für jedes Krankenhaus, nicht nur in Bremen: Denn auf dem bundesweiten Arbeitsmarkt sind Ärzte mit der entsprechenden Fachausbildung Mangelware. „Die Ausbildung zum Hygieniker dauert sechs Jahre“, sagt Ackermann. Aus diesem Grunde dürfen Krankenhäuser noch bis ins Jahr 2024 Externe hinzuziehen – um die Nichteinhaltung von Hygiene-Mindeststandards handelt es sich dabei also nicht.

Auch die anderen Kriterien, die der „Hygiene-Leitfaden“ enthält, seien nicht nach den gesetzlichen Vorgaben gewählt worden, „sondern nach offensichtlich selbst gesetzten Kriterien“, sagt Thomas Reumann, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Das gilt für den Punkt „hygienebeauftragte Pfleger“: Deren Existenz ist gar nicht vorgeschrieben und kann somit auch nicht als „Mindeststandard“ gewertet werden. Das sieht Correctiv freilich anders: Eine Klinik ohne Pflegepersonal, das diesen Titel trägt, ist dort durchgefallen.

So auch die Tagesklinik Virchowstraße in Bremerhaven. Bei dieser handelt es zwar um eine psychiatrische Einrichtung, die zehn PatientInnen morgens aufsuchen und abends wieder verlassen, in die Statistik fließt sie dennoch genauso ein wie die anderen Häuser: „Natürlich gelten hier völlig andere Kriterien als in somatischen Häusern“, sagt Ackermann.

Kriterien wie klinikinterne Hygiene-Fortbildungen des Personals oder Hände- und Flächendesinfektion in den Krankenhäusern scheinen für Correctiv nicht relevant zu sein: Sie finden keine Erwähnung – genauso wenig wie aktuelle Zahlen. Mindesten zwei der „rosafarbenen“ sechs Bremer Kliniken beschäftigen nämlich mittlerweile hauseigene Hygieniker und rutschen damit von rosa auf grün. Allein nur damit werden aus 43 Prozent „unhygienischer Kliniken“ plötzlich nur noch gut 28.

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