Kreaturen, die die Welt nicht braucht: Der haarige Giftpfeilköcher

Die Artenvielfalt ist dabei, es auf die Agenda der internationaler Politik zu schaffen. Aber muss wirklich jede Art überleben? Etwa die Raupen des Eichenprozessionsspinners? "Nein!", sagt die taz.

So ist's recht: Der Mensch flammt ein Eichenprozessionsspinnernest von unserem Freund, den Baum. Bild: dpa

Der Name sagt schon alles: Der "gefährliche Prozessionsspinner". Das klingt durchgeknallt, fanatisch, nicht aufzuhalten. Und tatsächlich lassen sich der Eichenprozessionsspinner und vor allem seine Raupen auch nur in komplett geschlossenen Schutzanzügen und mit Flammenwerfern oder überdimensionalen Staubsaugern bekämpfen. Zumindest, wenn sie einen Eichenwald in einem Naherholungsgebiet oder - Gott bewahre - Bäume in bewohnten Gebieten befallen haben. In Frankfurt am Main mussten bis vor kurzem alle sieben Waldspielparks geschlossen gehalten werden. Dörfer in Nordrhein-Westfalen sperrten ihre Paradewiesen sogar für Schützenfeste.

Derzeit treiben sich die Falter der Biologischen Bundesanstalt in Braunschweig zufolge, vor allem in Bayern und Baden-Württemberg, aber auch östlich der Elbe in Sachsen-Anhalt und Brandenburg sowie weiterhin in Hessen und Nordrhein-Westfalen herum. Besonders fies: Mit ihren hellgrauen Flügeln von gerade mal 25 bis 30 Millimeter Spannbreite sind sie auf infame Weise unscheinbar - zumal sie auch noch nachts fliegen. Dann suchen sie sich die schönsten Plätze in den schönsten Eichen. Dort legt das Weibchen nach dem Hochzeitsflug bis zu 300 Eier ab. Und lässt dem Unheil seinen Lauf.

Das kommt in Gestalt der Raupe. Die ist stark behaart und auch sonst hässlich in einem Gelbbraun gefärbt, das sich später in ein ebenso abstoßendes Schwärzlich-blaugrau verwandelt. Sie interessiert sich ausschließlich für den deutschesten aller Bäume - Blätter anderer Pflanzen frißt sie nicht. Um die Eichen allerdings muss man sich nicht sorgen, auch wenn sie komplett kahl gefressen sind, können sie neue Triebe bilden. Den Rest ihres Namens haben die Tiere ihrer Angewohnheit zu verdanken, in wohlgeordneter Formation die Rinde der angepeilten Bäume hinaufzuprozessieren und sich später in dichten weißen Gespinsten zu verpuppen, die dann wie flusige Geister in den Zweigen hängen.

Das Problem sind die giftigen Härchen der Raupen, die mikroskopisch klein sind und offenbar eingebaute Sollbruchstellen haben. So können sie nicht nur beim Anfassen - wenn das jemand freiwillig tun sollte - übertragen, sondern lose auch hunderte Meter weit vom Wind verweht werden. Trifft ein solch winziger Giftpfeil auf Haut, spult sich das ganze Programm ab: Quaddeln, Entzündung, Knötchen. Noch schlimmer, wenn das Haar eingeatmet wird. Denn dann kann es lebensbedrohliche Asthmaanfälle verursachen. Die heldenhaften Raupenbekämpfer tragen deshalb nicht nur geschlossene Anzüge, sondern auch Atemmasken mit feinen Filtern.

Spinnerraupen bei der Arbeit. Bild: dpa

Das braucht keiner, das will keiner, das nervt bloß. Egal, ob die Raupen in irgendeiner Nahrungskette irgendeine Rolle spielen: Wenn die Natur auch weiterhin nicht selbst einsehen will, dass die Welt die Viecher nicht braucht, und künftig gleich die harmlosen Schmetterlinge aus den Eiern schlüpfen lässt, gibt es nur eins: Feuer frei! Und zwar flächendeckend.

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