Kriminelle Minderjährige: Bremen sperrt Flüchtlingskinder ein

Rot-Grün will straffällige unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in einem geschlossenen Heim neben dem Gefängnis unterbringen.

Bremen will keine Haasenburg, straffällige minderjährige unbegleitete Flüchtlinge sollen aber trotzdem eingesperrt werden. Bild: dpa

BREMEN taz | Jetzt ist’s beschlossen: Die rot-grüne Bremer Landesregierung führt die geschlossenen Heime wieder ein. Darin unterkommen sollen straffällige unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.

Die grüne Sozialsenatorin Anja Stahmann spricht von einer „intensivpädagogischen Einrichtung“ und „freiheitsentziehenden Maßnahmen“. Doch alle Details sind noch offen: Bislang gibt es weder ein inhaltliches Konzept noch einen Träger für so eine Einrichtung.

Zunächst und vorübergehend unterkommen soll sie in einem Pavillon, der noch zum Frauengefängnis im Bremer Knast gehört. Wann die ersten Jugendlichen dort einziehen, ist noch unklar. Sicher ist aber, dass so ein Heim klar vom Strafvollzug getrennt werden muss – das schreibt das Gesetz vor.

„Wir wollen keine Einrichtung wie die Haasenburg“, sagte Stahmann am Dienstag. Der freie Träger hatte in Brandenburg drei Heime betrieben, wo Kinder und Jugendliche geschlossen untergebracht waren. Diese mussten 2013 wegen massiven Menschenrechtsverletzungen geschlossen werden (taz berichtete). „So etwas darf sich keinesfalls wiederholen“, sagt Stahmann.

Die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge nimmt zu.

Zuständig sind die kommunalen Jugendämter.

Wegen des Kindeswohls werden sie in Obhut genommen, wo sie ankommen und nicht wie andere Flüchtlinge auf die Länder verteilt. Ein Gesetz ist in Arbeit, um das zu ändern.

In Stadtstaaten wie Hamburg und Bremen kommen überdurchschnittlich viele unbegleitete Flüchtlinge an.

In Bremen sind etwa 650 in der Obhut des Jugendamtes, in Hamburg rund 1.300.

In Niedersachsen werden mindestens 335 versorgt, auch hier hauptsächlich in den Städten.

In Schleswig-Holstein stieg die Zahl der Inobhutnahmen von 438 in 2013 auf etwa 750 in 2014 an.

Und das Wort „wegsperren“ hören sie in Bremen auch nicht gern. Selbst der sonst stets so ruhige Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) reagiert aufgebracht, sobald es fällt. „Wir können die Leute gar nicht wegsperren“, sagt auch der Justizsenator Martin Günthner (SPD) – das könnten nur die Gerichte veranlassen, dafür gebe es „hohe rechtliche Hürden“. Er spricht davon, dass man „vermeiden“ wolle, dass Jugendliche weiter straffällig werden könnten.

In der Praxis geht es um 25 bis 30 Menschen, die teilweise als Straßenkinder aufgewachsen, teilweise drogenabhängig, teilweise kriegstraumatisiert sind. Sie fielen wiederholt durch Raub, Diebstahl oder Widerstand gegen Polizisten auf. Seit August wurden deswegen laut Günthner in Bremen 88 Anklagen erhoben, bei denen es um 159 Straftaten geht.

„Wir haben es mit einigen sehr schwierigen Jugendlichen zu tun, die mit den Instrumenten des Jugendhilfesystems nicht zu erreichen sind“, sagt Stahmann. Aus Sicht von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) ist ein geschlossenes Heim deswegen „ohne Alternative“.

Die allermeisten jugendlichen Flüchtlinge sind indes unauffällig. 2014 kamen insgesamt rund 500 von ihnen in Bremen an, 2011 waren es noch 50, allein im Januar dieses Jahres aber schon 75. Bremen habe damit mehr jugendliche Flüchtlinge aufgenommen als die fünf neuen Bundesländer zusammen, so Mäurer. Anders als geflohene Erwachsene werden sie bislang nicht auf die Länder verteilt.

Die Linkspartei ist gegen geschlossene Heime: „Wenn Jugendliche mit Gewalt- oder Suchtproblemen zusammen untergebracht und isoliert werden, kann das ihre Probleme sogar verschärfen.“ Der Beschluss von Rot-Grün sei Ausdruck von „Hilflosigkeit und Überforderung“.

Scharfe Kritik kommt auch von der Vereinigung der StrafverteidigerInnen und dem Strafvollzugsarchiv: Die Erfahrungen in anderen Bundesländern seien „durchweg negativ“, eine „faktische“ Inhaftierung „nicht zu legitimieren“.

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