Krise der schwedischen Nobel-Akademie: Haftstrafe wegen Vergewaltigung

Der Leiter einer Kultureinrichtung wird verurteilt. Er steht im Mittelpunkt des Skandals um die Akademie, die den Literaturnobelpreis vergibt.

Mann mit Anzug auf einem Gang mit Journalisten

Jean-Claude Arnault bei einem Gerichtstermin in Stockholm vor einer Woche Foto: ap

STOCKHOLM taz | Die „Nobelwoche“, traditionell die erste Woche im Oktober, die in Stockholm mit der Bekanntgabe des Medizinnobelpreises beginnt und in Oslo mit dem für Frieden endet, sieht in diesem Jahr anders aus. Bekanntlich wird es keinen Literaturnobelpreis geben und am Montag stand zunächst ein anderer Termin an.

Eine halbe Stunde vor dem Medizinpreis verkündete das Amtsgericht Stockholm das Urteil zu einer Anklage wegen Sexualstraftaten, die vor knapp einem Jahr zentral für den Beginn der schweren Krise der Schwedischen Akademie gewesen waren. Jean-Claude Arnault wurde wegen Vergewaltigung zu einer Haftstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Staatsanwältin hatte drei Jahre gefordert, der 72-jährige Angeklagte selbst hatte alle Vorwürfe bestritten.

Zur Erinnerung: Arnault ist Ehemann der Inhaberin von Stuhl 18 der Schwedischen Akademie, der Lyrikerin Katarina Frostenson. Die Eheleute betrieben eine jahrelang von der Akademie mitfinanzierte Kultureinrichtung. Im November 2017 war Arnault im Zuge der #metoo-Bewegung von 18 Frauen sexueller Übergriffe beschuldigt worden.

Neu waren derartige Vorwürfe nicht. Schon 1996 hatte eine Künstlerin an die Akademie appelliert, die Zusammenarbeit mit Arnault zu beenden. Dieser sei in seiner Kulturinstitution nicht nur ihr gegenüber übergriffig geworden: „Er missbraucht seine Rolle als künstlerischer Leiter, um Frauen auszunutzen und zu erniedrigen.“

Ein Jahr später hatte die Tageszeitung „Expressen“ unter der Überschrift „Sexterror bei der Kulturelite“ entsprechende Anklagen von vier weiteren Frauen veröffentlicht. Doch diese Anschuldigungen und weitere in den Folgejahren blieben ohne Konsequenzen für Arnault. Seine Kultureinrichtung wurde weiter gefördert, er selbst mit Preisen geehrt.

Ermittlungen erst seit 2017

Das änderte sich erst 2017, als auch die Staatsanwaltschaft zu ermitteln begann. Frostenson und mehrere andere Akademiemitglieder wurden beschuldigt, von den sexuellen Übergriffen gewusst und diese gedeckt zu haben. Noch in der vergangenen Woche warf das Akademiemitglied Per Wästberg Frostenson in einem Interview vor: „Sie kann das ja nicht nicht gewusst haben.“

Die Schwedische Akademie wurde über der Affäre Frostenson/Arnault handlungsunfähig. 8 ihrer 18 Mitglieder traten aus – teils auch aus anderen Gründen – oder nehmen mittlerweile nicht mehr an ihrer Arbeit teil. Im April teilte die Nobelstiftung mit, es könne deshalb in diesem Jahr kein Literaturnobelpreis verliehen werden.

Von den Anschuldigungen gegen Arnault blieben nach Einschätzung der Anklagebehörde angesichts zwischenzeitlich eingetretener Verjährung und wegen schwieriger Beweisfragen justiziabel nur zwei Vergewaltigungsvorwürfe aus dem Jahre 2011. Einer davon führte jetzt zu seiner Verurteilung.

Was die Akademie und deren Nobelpreisarbeit angehe, sei der Ausgang dieses Verfahrens und die Frage, ob das Urteil auch endgültig Bestand habe, eigentlich nur von margineller Bedeutung, hatte Lars Heikensten, der Direktor der Nobelstiftung bereits am Abend vor dem Urteilsspruch in einem TV-Interview betont: Der Schaden sei schon passiert, die Legitimität der Akademie durch alle diese Vorgänge schwer beschädigt worden. Und eine Institution, der es an Legitimität fehle, könne keinen Literaturnobelpreis verleihen.

Preisvergabe auch nächstes Jahr unsicher

Offiziell gilt noch die Ankündigung, im kommenden Jahr würden zwei Preise verliehen. Für 2018 und 2019. Darauf wetten sollten allerdings nur Risikofreudige. Es gebe „eine Chance“ meinte Heikensten, womöglich müssten aber weitere Mitglieder die Akademie verlassen.

Die zehnköpfige Restakademie würde nur wieder beschlussfähig, wenn Mitglieder, die die Arbeit derzeit boykottieren, wieder an den Sitzungen teilnehmen würden. Nach Presseinformationen machen sie das von einem Ausschluss Frostensons abhängig. Dafür gibt es aber offenbar keine Mehrheit.

Gehe dieser Streit „noch länger so weiter“, müsse die Nobelstiftung Konsequenzen ziehen, kündigte Heikensten an: Die auch darin bestehen könne einer anderen Institution das Recht zur Verleihung des Literaturnobelpreises zu übertragen.

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