Krise in Portugal: Streit um Sparpläne

Arbeitnehmer in Portugal müssen höhere Beiträge zur Sozialversicherung zahlen. Damit will die Regierung das Haushaltsdefizit senken.

Der europäische Austeritätskurs weckt auch in Portugal Kritik von den 99%. Bild: reuters

MADRID taz | Portugals Ministerpräsident Pedro Passos Coelho vermieste seinen Landsleuten eine mit Spannung erwartete Fußballnacht. Am Freitagabend trat der Konservative unmittelbar vor dem Länderspiel Portugal – Luxemburg vor die Fernsehkameras und gab eine neue Sparmaßnahme bekannt.

Die Portugiesen werden künftig statt 11 Prozent 18 Prozent ihres Einkommens an die Sozialversicherung abführen müssen. Gleichzeitig wird der Unternehmeranteil von 23,75 auf 18 Prozent gesenkt. „Die nationale Finanznotlage ist noch nicht zu Ende“, es bestehe noch immer die Gefahr, dass „alles aus der Bahn gerät“, begründete Passos Coelho die neuen Maßnahmen, die das Einkommen der Portugiesen erneut empfindlich senken werden.

Der Ministerpräsident warb um Verständnis und forderte seine Landsleute zu einer „Anstrengung aller“ auf, um das „gemeinsame Ziel“ zu erreichen.

Portugal will das Haushaltsdefizit in diesem Jahr auf 4,5 Prozent und 2013 auf 3 Prozent senken. Das hat Lissabon gegenüber der Troika aus Europäischer Union (EU), Internationalem Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) im Gegenzug für eine Finanzhilfe von 78 Milliarden Euro versprochen.

Der Bote überbringt Nachrichten von der Troika: Portugals Premier Passos Coelho. Bild: dpa

Vor dem Sommer hatte das portugiesische Verfassungsgericht die Streichung von Weihnachts- und Urlaubsgeld für Beamte für unrechtmäßig erklärt und den Betroffenen eine der beiden Sonderzahlungen zugesprochen. Die Anhebung des Sozialversicherungsbeitrages soll dies jetzt ausgleichen.

Die Antwort der Gewerkschaften ließ nicht lange auf sich warten. „Einen Raub an den Arbeitern zugunsten der Unternehmer“, sieht die größte Arbeitnehmerorganisation des Landes CGTP in der neuen Maßnahme und ruft zum „Widerstand“ auf. „Schluss mit dem Sparkurs“, schimpft auch ein Sprecher der größten Oppositionspartei, der sozialistischen PS.

Auswirkungen des Sparens machen sich bemerkbar

Die Lage im Land hat sich dramatisch verschlechtert, seit Portugal im Mai 2011 unter den EU-Rettungsschirm schlüpfen musste. Die öffentlichen Dienstleistungen werden ständig weniger. Wer zum Arzt oder ins Krankenhaus geht, muss zuzahlen. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind deutlich teurer geworden. Rentner mit einem Einkommen von mehr als 1.000 Euro haben das Weihnachtsgeld eingebüßt, die Mehrwertsteuer wurde um 5 Prozent angehoben. Gleichzeitig werden die Anteile, die der Staat noch an großen Unternehmen, wie an der Fluggesellschaft TAP oder dem Energieversorger EDP hält, privatisiert.

Die Auswirkungen der Sparpolitik machen sich bereits bemerkbar. Die Arbeitslosigkeit verdoppelte sich in nur drei Jahren auf knapp 16 Prozent. Die Investitionen gingen im zweiten Quartal diesen Jahres um 19 Prozent zurück, die Familien konsumieren 5,9 Prozent weniger und die gesamte Inlandsnachfrage sank um 7,6 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres. Portugals BIP wird 2012 um 3,3 Prozent zurückgehen. 2011 waren es noch 2,3 Prozent.

Diese Entwicklung hat wiederum Auswirkungen auf das Sparziel. Die Troika befürchtet, dass das Land auf der Iberischen Halbinsel seine Zusagen nicht einhalten wird. Statt einem Defizit von 4,5 Prozent könnten es am Ende des Jahres mehr als 5,5 Prozent sein. Schuld daran sind die ständig sinkenden Steuereinnahmen.

Passos Coelho, dessen Sparpolitik von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Wirtschaftsminister Wolfgang Schäuble immer wieder als „vorbildlich“ gelobt wurde, muss sich von der Opposition vorwerfen lassen, gescheitert zu sein. „Wozu sind die ganzen Opfer und die Schmerzen gut, denen die Portugiesen ausgesetzt sind?“, fragt Oppositionsführer und PS-Chef António José Seguro.

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