Küchenpsychologie und der Trump-Clan: Wie die schon wieder gucken!

Jede Banalität, jede Mimikregung aus dem Umfeld Donald Trumps wird analysiert, um zu zeigen, wie böse er ist. Dabei reicht dafür doch seine Politik.

Melania, Donald und Barron Trump sitzen nebeneinander und lachen

Donald Trump zeigt mit dem Finger auf seinen Sohn. Ein klarer Fall! Foto: reuters

Die Feierlichkeiten zur Amtseinführung von Donald Trump haben der Welt nicht nur anstrengende und entlarvende Diskussionen über alternative Fakten, U-Bahn-Passagierzahlen und weiße Fußmatten gebracht. Sondern auch viele neue GIFs und Meme, die, wie es ihrer Natur entspricht, nun im Internet herumgereicht werden.

Eines davon, wenige Sekunden lang, zeigt Donald und Melania Trump, er hat sich ihr, die hinter ihm steht, zugewandt, sagt etwas, und sie tauschen ein Lächeln aus. Als er sich wieder umdreht, versteinern beide Mienen in Sekundenbruchteilen. Häufig geteilt wurde die Sequenz, mit Kommentaren wie „Was hat er ihr bloß gesagt?“ „Das sagt alles“, Subtext: Der böse Mann, wie behandelt er nur seine arme Frau?

Andere beschäftigen sich mit Trumps zehnjährigen Sohn Barron, der unter anderem:

– in manchen Momenten gelangweilt oder genervt guckte (wie schon bei anderen öffentlichen Auftritten zuvor)

– im Oval Office mit seinem Baby­neffen spielte, während sein Vater Dokumente unterzeichnete

– mit seiner Mutter einen seltsam unsynchronen High-Five-Versuch unternommen hat.

Womit sich Barron, so die Deutungen, wahlweise aggressiv oder unempathisch, auf jeden Fall aber unnormal verhalten haben soll, sogar eine Autismus-Ferndiagnose gab es. Aber klar: bei dem Vater, wie auch sonst? Man kann es aber auch als ganz normales Kinderverhalten interpretieren: Reden sind langweilig, mit Babys spielen macht mehr Spaß als Erwachsenen zuhören, und das mit dem High Five war Rumalberei.

Und was die eingangs beschriebene Szene angeht: Schaut man in der Videoaufzeichnung der Inauguration auch die Minute davor an, sieht man, dass beide Trumps genau so grimmig auch vor dem Austausch geguckt haben. Währenddessen redeten Geistliche, nahezu alle Anwesenden hatten ein „Ich muss jetzt ernst schauen“-Gesicht aufgesetzt.

Analyse der Krawattenlänge

Es ist also nicht sooo schwer, in einer mehrstündigen Inszenierung Szenen zu finden, die, aus dem Kontext gerissen, seltsam wirken. Aber das ist ja nicht alles: Die Krawattenlänge von Trump wird analysiert, seine Entscheidung für goldene Vorhänge im Oval Office, seine Handbewegungen, eigentlich so ziemlich alles, was er beziehungsweise sein Clan gerade tut – dankbar wird es hergenommen, um zu zeigen, wie narzisstisch/chauvinistisch/psychopathisch der neue US-Präsident doch ist.

Nun hat jeder Mensch seinen eigenen Modus, um mit der Rea­lität eines US-Präsidenten Trump umzugehen, für manche sind es eben solche eher schmalen Witze. Das muss jeder mit sich selbst ausmachen. Aber ehrlich: Soll das wirklich das Niveau der Trump-Kritik der nächsten vier Jahre werden? Alles schön schwarz-weiß, alles, was die Trumps machen, ist böse. Das ist oft nicht besser als das, was „wir“ „denen“ im Umgang mit Fakten vorwerfen.

Auch Empörung nutzt sich irgendwann ab. Wenn jeder noch so kleine Quatsch ­als Beleg herhalten muss, dass Trump der personi­fizierte Sauronhitlerteufelclown ist, kommt es zur Abstump­fung

Man muss sich nicht auf solche Dinge kaprizieren, um Trump schlimm zu finden. Dafür reicht leider seine Politik, die in den ersten Tagen seiner Amtszeit alle Befürchtungen wahr werden lässt: von der Wiederbelebung der Keystone-Ölpipeline über die Streichung von Geldern für „Planned Parent­hood“ bis zum geplanten Beginn des Mauerbaus an der mexikanischen Grenze.

Auch Wut auf Trump hält nicht ewig, auch Empörung nutzt sich irgendwann ab. Wenn jeder noch so kleine Quatsch ­dazu herhalten muss, zu belegen, dass Trump der personi­fizierte Sauronhitlerteufelclown ist, kommt es zur Abstump­fung.Und dann kann es leider auch passieren, dass seine ernsthaft schlimmen Entscheidungen im allgemeinen Grundrauschen weniger wahrgenommen werden. Zumal die Trump-Administration ja selbst noch unwichtige, zeitaufwendige Nebenschauplätze zur Verneblung aufmacht, wie jüngst mit dem erneuten Aufbringen des angeblichen Wahlbetrugs.

Lasst uns also das Küchenpsychologisieren beenden, kümmern wir uns lieber um die wirklichen Schweinereien. Es gibt da genug zu beklagen. Und genug zu tun.

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