Kulturschaffende im Umgang mit Rechts: „Es geht um die Freiheit der Kunst“

Rechte Angriffe auf Kultureinrichtungen nehmen zu. Eine Handreichung gibt Tipps für den Umgang mit Drohungen und Veranstaltungsstörungen.

Menschen auf einer Theaterbühne halten ein Schild mit der Aufschrift: "Wir sind viele - jedeR einzelne von uns"

Mit der „Erklärung der Vielen“ vernetzen sich Kulturschaffende gegen Rechtspopulismus Foto: dpa

Mitglieder der rechtsextremen Identitären Bewegung stören mit lauten Zwischenrufen eine live im Radio übertragene Diskussion im Berliner Gorki Theater. Die AfD in Sachsen-Anhalt, immerhin mit 24,3 Prozent der Stimmen in den Landtag gewählt, fordert, dass die Bühnen im Land „mehr klassische deutsche Stücke spielen und sie so inszenieren, dass sie zur Identifikation mit unserem Land anregen“. Die Berliner Fraktion der radikal rechten Partei beantragt, drei missliebigen Theatern in der Stadt den Etat zu kürzen. In Dessau sagt das Bauhaus ein Konzert der Band Feine Sahne Fischfilet nach Druck von rechts ab.

Immer häufiger erleben Theater, Museen und andere Kultureinrichtungen Angriffe von rechts. Die AfD und ihr neurechtes Umfeld haben neben der Politik längst auch die Kultur zum Kampfplatz erkoren. „Viele Kollegen und Kolleginnen, die erstmals damit konfrontiert sind, sind ratlos, wie sie reagieren sollen“, sagt der Präsident des Deutschen Bühnenverein, Ulrich Khuon, der Intendant des Deutschen Theaters ist.

Khuon weiß, wovon er spricht. Sein Haus hat im vergangenen Sommer selbst einen Angriff der Identitären erlebt, die eine Aufführung auf dem Vorplatz des Theaters störten. „Das war ein gewalttätiger Übergriff: durch Lärm, durch Geschrei, durch Dazwischengehen. Das ist mehr als ein verbaler Zwischenruf. Dagegen müssen wir uns wehren.“

Auch deshalb sitzt Khuon wohl am Donnerstagvormittag im Saal seines Theaters auf einem Podium und stellt gemeinsam mit Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) und Bianca Klose, Leiterin der Mobilen Beratungssstelle gegen Rechtsextremismus (MBR), eine Handreichung vor. Diese gibt Tipps zum Umgang mit dem „Kulturkampf von rechts“.

Ruhig bleiben und das eigene Selbstverständnis klären

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Denn darum, da sind sich alle drei einig, gehe es längst: „Wir müssen deutlich machen, wie gefährlich das ist, was gerade passiert“, sagt Khuon. „Es geht um die Freiheit der Kunst.“ In Ländern wie Ungarn und Polen, wo Rechtspopulisten regieren, sehe man bereits, „wie eine einstmals offene Gesellschaft sich verengt“, ergänzt Kultursenator Lederer.

Klose, bei deren Beratungsstelle Anfragen aus der Kultur in vergangenen Monaten stark zugenommen haben, äußert einen alarmierenden Befund: „Wir sehen, dass Häuser und Projekte sich hetzen lassen und beinahe in vorauseilendem Gehorsam zurückweichen.“ Deshalb klinge mancher Ratschlag, den die vom MBR erstellte Handreichung gibt, zwar banal, sei es aber nicht: sich nicht verunsichern lassen. Ruhig bleiben. Und das Selbstverständnis klären. Das sei die Voraussetzung dafür, dass man diesen Angriffen entschlossen entgegentrete – und nicht etwa Forderungen nach einem politisch neutralen Kulturbetrieb aufsitze oder Opferinszenierungen auf den Leim gehe.

Klose gibt aber auch konkrete Tipps. Sich etwa juristisch beraten zu lassen, wenn AfD-Politiker Einsicht in die Fördermittel beantragen oder behaupten, als gewählte Abgeordnete hätten sie jederzeit Recht auf den Besuch einer öffentlich geförderten Einrichtung. So dramatisch wie Klose sieht Intendant Khuon die Lage an den Theatern nicht. „Ich bemerke dort eine große Sehnsucht, Gesicht zu zeigen.“

„Wir dürfen aber auch nicht überempfindlich sein“

Das gelte auch für Bühnen in Chemnitz oder Dresden, wo gerade „Das blaue Wunder“ auf dem Spielplan steht. Dort koste das deutlich mehr als in Berlin. Wichtig seien die Vernetzung und der Austausch untereinander. Ein Beispiel dafür: die „Erklärung der vielen“, in der sich Kultureinrichtungen und Kulturschaffende gegen Rechtspopulismus positionieren. 2.350 Unterschriften gibt es bereits.

„Wir dürfen aber auch nicht überempfindlich sein“, betonte Khuon. Und natürlich müsse man in die Auseinandersetzung mit der AfD und ihren AnhängerInnen gehen. Er selbst sei beispielsweise einer Einladung der AfD nach Magdeburg gefolgt und habe mit dem AfD-Rechtsaußen Hans-Thomas Tillschneider diskutiert. „Aber ich würde ihnen doch kein Podium im Deutschen Theater bieten.“

Klose und ihr Team werden bald eine zweite Handreichung dieser Art herausbringen: diesmal für Museen und Gedenkstätten. Denn neben der Kultur hat die Rechte auch das Feld der Geschichtspolitik zum Kampffeld auserkoren.

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