Kunstempfehlungen für Berlin: Die vielen Blicke jenseits des Westens

Auf der Online-Plattform D'EST sammeln Kuratorinnen Videokunst aus dem Postsozialismus. Die Initiatorin gibt im Interview Tipps für Berlin.

Gery Georgieva, „Rodopska Beyoncé (Autoethnography II)“, 2013, Videostill, video HD, 4', 16:9. Aus: D'EST Prolog, kuratiert von Xandra Popescu Foto: die Künstlerin

„All the single ladies (All the single Ladies)“ – ihre Hüften kreisen sexy in hohen Bögen, doch mit jedem Schwung der Oberschenkel klirren kleine Glöckchen an ihrer Folkloretracht. Sie hebt den Ringfinger zur berühmten Tanzgeste von Beyoncé, doch wenn es im originalen Musikclip heißt: „Put a ring on it“, hört man hier nur die Krähen von bulgarischen Bergkuppen krächzen.

Gery Georgieva (s.o.) vermengt in ihrer Videoarbeit Codes von Pop, Folklore oder Gender zu einem humoristischen wie kritischen Verfremdungsstück. Die Kulturwissenschaftlerin Ulrike Gerhardt macht dieses Video mit ihrem Projekt D’EST öffentlich zugänglich. Bereits 43 Videoarbeiten hat Gerhardt gemeinsam mit anderen Kuratorinnen auf der Online Plattform zusammengetragen und bildet damit eine ganze künstlerische Landschaft über die postsozialistischen Veränderungen östlich des Westens ab.

Einblick 753: Ulrike Gerhardt (Kuratorin & Autorin)

taz: Welche Ausstellung in Berlin hat dich zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum?

Ulrike Gerhardt: „wildes wiederholen. material von unten“ finde ich sehr gelungen. Kurz vor dem 30-jährigen Wendejubiläum geht es in diesem Projekt um die noch unzureichenden Repräsentationen gelebter Erfahrungen in der kollektiven Erinnerung an die DDR, insbesondere von Frauen*, Lesben, trans*Menschen und People of Color.

Welches Konzert oder welchen Klub in Berlin kannst du empfehlen?

Ulrike Gerhardt ist eine Kulturwissenschaftlerin und Kuratorin aus Berlin.

Da ich vielseitige Verbindungen dorthin habe, bin ich häufig bei District Berlin, kein Klub, aber ein Ort, an dem künstlerische und kuratorische Forschung, Performativität und kulturelle Bildung in Beziehung zueinander gesetzt werden, orientiert an queer-feministischen, antirassistischen und dekolonialen Ansätzen. District ist inzwischen auch eine Community, in der die Machthierarchien im Flux sind.

Welche Zeitschrift/welches Magazin und welches Buch begleitet dich zurzeit durch den Alltag?

Seit der ersten Ausgabe bin ich Fan des Kajet Journals, herausgegeben von Petrică Mogoș und Laura Naum. Das aktuelle Heft „On Utopias“ (2018) entwickelt eine neue „Futurologie des ‚Ostens‘“.

Was ist dein nächstes Projekt?

Im Januar geht es nach Tallinn für das Festival „TOKSI-LINE. feminism – environment – geopolitics“. Dort werde ich die Videokunstplattform D’EST vorstellen, die ich gemeinsam mit 15 Kuratorinnen erarbeitet habe. Das Projekt reist 2019 voraussichtlich nach Riga, Oberhausen, Beijing und Tel Aviv.

Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht dir am meisten Freude?

Mir macht es Spaß, Theorie und Kunst zu verbinden, monohistorische Narrative zu desorganisieren und ethisch verantwortungsbewusst zu arbeiten: Der feministische „Code of Practice“, auf den ich bei WORK WORK WORK von Karma LTD. Extended in der Acud Galerie gestoßen bin, ist ein institutioneller Arbeitscodex, der mich inspiriert.

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