Kunstprojekt: Verdächtige Post aus Ägypten

Ein Brief mit arabischen Marken? Mächtig verdächtig, dachte die Kulturbehörde und rief die Polizei. Dabei war alles nur Kunst und Teil des Projektes „Naked Hardware“.

Die Künstler Horst Müller und Wolfgang Hainke in Luxor Bild: Lisa Simon

BREMEN taz | Ein hübscher Briefumschlag erreichte im vergangenen Frühjahr das Büro des Senators für Kultur am Altenwall: wenig größer als DIN A 5, beklebt mit vielen ägyptischen Briefmarken, auf denen Pyramiden, Hieroglyphen und Pharaone abgebildet waren. Das Couvert enthielt keinen erkennbaren Absender, adressiert war es „to whom it may concern“ – an den, den es etwas angeht. Arabische Briefmarken? Kreuzkümmel-Duft? – Die Mitarbeiter der Kulturbehörde verständigten sofort die Polizei.

Und die, so berichten es gut informierte Quellen der taz, folgte dem vorgesehenen Protokoll: Polizisten betraten in Seuchenschutzanzügen die Behörde, Mitarbeiter des Kultursenators mussten in Quarantäne, Fingerabdrücke wurden genommen.

Verschickt allerdings hatten den Brief die Bremer Künstler Wolfgang Hainke und Horst Müller. Im Rahmen des Projektes „Kunstsatelliten“ waren sie kurz vor der Absetzung des Präsidenten Mursi in Südägypten, rund um Luxor herum, unterwegs. Angefüllt hatten sie ihr Mailart-Objekt mit Dingen, die sie auf ihrer Reise zusammengetragen hatten: ägyptische Formulare, Werbezettel, kleine Tütchen mit arabischen Gewürzen.

Seit Fluxus, dem Hainke sich verbunden fühlt, ist das Verschicken von künstlerisch gestalteten Poststücken als „Mailart“ eine feste Größe. Künstler in den Militär-Diktaturen Lateinamerikas nutzten sie in den 70er- und 80er-Jahren, um ästhetisch verschlüsselt politische Botschaften zu übermitteln.

Hainkes und Müllers Umschlag wurde in einer Auflage von 120 Stück in Umlauf gebracht, eine solche Reaktion aber provozierte er kein zweites Mal.

Der „Kunstsatellit“, ein von Ursula van den Busch vor zehn Jahren ins Leben gerufenes Projekt, zielt auf den internationalen kulturellen Austausch. Bremer Künstler reisten bereits nach Casablanca, Neu Delhi und Istanbul und hatten dort die Möglichkeit, eine vollkommen andere Öffentlichkeit mit ihren Arbeiten zu konfrontieren. Künstler wie Achim Bertenburg, Christian Haake und Isolde Loock haben von dieser Kulturförderung profitiert.

Hainke und Müller begriffen ihre Reise als künstlerischen Prozess, als „künstlerische Recherche“. Ihre Reiseerfahrungen haben die beiden unter dem Titel „Naked Hardware – die Reise als Skulptur“ in einem Film und Buch umgesetzt. Müller ist bereits mehrfach in Ägypten gewesen. Eine der Fragen, die ihn umtreiben, ist die nach einer sich wiederholenden Motivgeschichte in der Kunst. Müller ist fasziniert von dem Gedanken, dass Bilder aus dem alten Ägypten auch in der Kunst der klassischen Moderne, bei Marcel Duchamp etwa, wieder auftauchen.

„Ein solches Projekt muss sich immer der Möglichkeit bewusst sein, auch scheitern zu können“, sagt Hainke. Ein Sinnbild, das er dafür auf seiner Reise gefunden hat, ist der liegende Obelisk in Assuan, der beim Versuch, aufgerichtet zu werden, zerbrochen ist. Müller fallen dazu dann die Obelisken an der Rückseite des neoklassizistischen Postgebäudes an der Domsheide ein.

RADEK KROLCZYK

Film- und Buchvorstellung: Fr, 19 Uhr, Künstlerhaus, Am Deich 68
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