Kurden-Demo in Düsseldorf: Mehr Druck auf die Türkei

Rund 20.000 KurdInnen solidarisieren sich in Düsseldorf mit Kobani. Die Demonstranten fordern die Öffnung der türkischen Grenze nach Syrien.

„Es ist falsch, zwischen guten und bösen Kurden zu unterscheiden“, sagt Ali Ertan Toprak von der Kurdischen Gemeinde in Deutschland. Bild: Pascal Beucker

DÜSSELDORF taz | Der Platz vor dem DGB-Haus in der Düsseldorfer Innenstadt ist viel zu klein. Deshalb muss der Auftakt der Demonstration gegen das Vordringen der Terrormilizen des Islamischen Staates (IS) kurzfristig auf die Festwiesen am Rhein gelegt werden.

Weit mehr als 20.000 Demonstranten ziehen am Samstag durch die Düsseldorfer Innenstadt, um sich mit den Verteidigern der nordsyrischen Stadt Kobani zu solidarisieren. Die Stadt nahe der türkischen Grenze ist mittlerweile zu mindestens 40 Prozent in den Händen des IS. Am Freitag hat die Terrormiliz die Gebäude der kurdischen Regionalregierung in ihre Gewalt gebracht.

„Es sind immer noch Tausende von Zivilisten in der Stadt“, berichtet der Chef der kurdischen Selbstverwaltung in Kobani, Enver Müslim, der per Telefon zu den Demonstranten vor dem Landtag spricht. Sie sind über die Rheinbrücke aus dem noblen Stadtviertel Oberkassel bis zum Parlament gelaufen, an der Spitze eine Gruppe in weißen Shirts.

Sie kommt direkt von einer Hungerstreikaktion in Brüssel. „Es geht nicht nur um Kobani! Merkt Ihr das nicht?“, steht auf dem Transparent, das sie tragen. „Wir wünschen uns mehr Solidarität“, sagte eine von ihnen. Sie wünscht sich, dass die Bundesregierung mehr Druck auf die Türkei ausübt, damit Präsident Recep Erdogan aufhört, den IS zu unterstützen.

Gute Kurden, böse Kurden

Die Demonstranten fordern die Öffnung der türkischen Grenze nach Syrien und das Einrichten eines Korridors, damit weitere kurdische Kämpfer nach Kobani kommen und Flüchtlinge die Region verlassen können. „Wir protestieren dagegen, dass die Weltgemeinschaft nichts gegen das drohende Massaker in Kobani unternimmt“, sagt Can Cicek vom Kurdischen Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit. Die Kurden wollen nicht, dass andere Staaten Bodentruppen einsetzen, betont er. „Wir wollen Hilfe zur Selbsthilfe.“

Cicek und seine Mitstreiter können nicht nachvollziehen, dass die deutsche Bundesregierung Waffen an die kurdisch-irakischen Peschmerga vergibt, den Menschen in Kobani diese Hilfe aber versagt wird. „Es ist falsch, zwischen guten und bösen Kurden zu unterscheiden“, sagt Ali Ertan Toprak von der Kurdischen Gemeinde in Deutschland.

Die Stimmung auf dem Platz vor dem Landtag schwankt zwischen Verzweiflung und Wut. „Wir fürchten Massaker in Kobani“, sagt Salih Müslim, stellvertretender Vorsitzender der syrisch-kurdischen Partei PYD. Zu den wenigen deutschen Rednern gehört der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag Wolfgang Gehrcke.

„In Kobani entscheidet sich, in welche Richtung die Welt gehen wird: In die Dunkelheit oder ins Licht“, sagt er. Auch Gehrcke fordert die Öffnung der türkisch-syrischen Grenze. „Die Grenzen müssen aber auch in Deutschland offen sein für Menschen, die fliehen“, forderte er.

Ein überlebensgroßes Banner mit dem Gesicht vom inhaftierten PKK-Chef Abdullah Öcalan. Bild: Pascal Beucker

Gehrcke ist der einzige bekannte deutsche Politiker, der zu den Demonstranten spricht. Die stellvertretende Bundestagspräsidentin Claudia Roth (Grüne), der stellvertretende CDU-Vorsitzende Armin Laschet und der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte Christoph Strässer (SPD) sind im Programm als „angefragt“ aufgeführt, aber nicht gekommen.

Ohnehin sind nur wenige Deutschstämmige gekommen, die Kurden bleiben bei der Demonstration weitgehend unter sich – trotz des öffentlichen Entsetzens über die Ereignisse in Syrien und im Irak. Dass sich der Protest nicht verbreitert, liegt auch am praktizierten Führerkult um den in der Türkei inhaftierten PKK-Chef Abdullah Öcalan. Die Demonstration steht unter dem irritierenden Motto "Stoppt den Terror der IS – Freiheit für Abdullah Öcalan", Veranstalter ist das PKK-nahe Demokratische Gesellschaftszentrum der Kurden in Deutschland (NAV-DEM).

Unzählige Fahnen mit dem Bild von „Apo“, dem „Onkel“, wie viele hier Öcalan nennen, sind zu sehen. Ein überlebensgroßes Banner mit seinem Gesicht wird von mehreren Leute getragen. „Apo ist unser Präsident“, rufen die Träger immer wieder auf kurdisch.

Sein Konterfei hängt auf der großen Bühne, die vor dem Landtag aufgebaut ist, sogar an dem schräg gegenüberstehenden Parkhaus prangt ein riesiges Plakat mit seinem Foto. „Öcalan repräsentiert die Kurden“, erklärt Can Cicek vom Kurdischen Zentrum für Öffentlichkeit. „Frieden wird es nur unter seiner Einbeziehung geben“, ist er überzeugt.

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