Kurzfilmtag in Bremen: Lange Nacht der kurzen Filme

Drei Bremer Spielstätten beteiligen sich mit sehr unterschiedlichen Programmen am Kurzfilmtag

Pubertät aus Knete: Der Kurzfilm „Alienation“ Foto: Stefan Schomerus

Mittwoch ist Wintersonnwende und mit nur siebeneinhalb Stunden Sonnenlicht der dunkelste Tag des Jahres. Kurze Tage bedeuten lange Nächste und das wiederum heißt: Ein perfekter Tag fürs Kino. Und dann ist es auch noch ein „Kurzfilmtag“, der an diesem kürzesten Tag deutschlandweit stattfindet. An insgesamt 127 verschiedenen Orten werden Kurzfilme gezeigt.

In Bremen beteiligen sich die Kulturwerkstatt Westend, das Programmkino City 46 und das Schauburg Kino. Den jeweiligen Veranstaltern sind die Auswahl der Filme und die Planung der Events selbst überlassen und so ist ein vielfältiges Programm entstanden.

Im Kulturzentrum Westend werden laut Veranstalter Filme etwa gezeigt, die die Zuschauer „in ein Wechselbad der Gefühle mitnehmen“. Neben den gezeigten Kurzfilmen wird es auch eine DVD Tauschbörse geben. Die Schauburg ist zum ersten Mal mit dabei und hat sich für ein „Weihnachts-Special“ entschieden. „Da bald Weihnachten ist, haben wir uns ein passenden Programm dazu überlegt“, sagt Robert Erdmann, Theaterleiter der Schauburg.

Unter dem Motto „Eight Shorts for One X-Mas“ werden 22 kurze Filme präsentiert, welche den Zuschauer in insgesamt 70 Minuten einmal um die Welt reisen lassen. „Uns war es wichtig, nicht nur deutsche Filme zu zeigen“, so Erdmann – daher habe man sich bewusst für internationalen Produktionen entschieden. Aus Großbritannien, Neuseeland, Schweden, Russland, den Niederlanden und auch aus Deutschland kommen die ausgewählten Filme. „Wir wollten ein bisschen über den Tellerrand gucken“, sagt Erdmann. Und Weihnachten feiere man ja nun mal auch fast überall auf der Welt..

Kurzfilme haben in der Schauburg Tradition, auch wenn dies der erste „Kurzfilmtag“ im Hause ist:Die Schauburg zeigt ohnehin vor jeder Hauptvorführung einen kurzen Film. „Wir haben uns vor vier Jahren entschieden, diese alte Tradition wieder einzuführen“, sagt Erdmann. An die besondere Rolle der Kurzfilme im Kino erinnert auch Iris Berben, Schauspielerin und Botschafterin für den Kurzfilmtag 2016.

In ihrer Videobotschaft sagt Iris Berben: „Ehrlich gesagt hast du manchmal dem Hauptfilm sogar den Rang abgelaufen. Es ist deine Vielfalt, die beeindruckt. Du kannst in kürzester Zeit die Menschen zum Lachen, Nachdenken, Schreien, Überlegen bringen … Es lebe der Kurzfilm!“

Alfred Tews, Kurator des Kurzfilmtages im City 46, weiß warum es mittlerweile etwas besonderes ist, wenn man Kurzfilme vor dem Hauptfilm zeigt. “Bis 1980 bekam man eine Steuervergünstigung, wenn man Kurzfilme zeigte“, sagt Tews. Sobald das Gesetz geändert war, sah man nur noch selten Kurzfilme im Kino. In Bremen werden heute nur noch in der Schauburg und im City 46 Kurzfilme vor den Hauptvorführungen gezeigt.

Die heute fast ausgestorbene Kurzfilmtradition hatte auch wirtschaftliche Gründe: Kinos bekamen Steuererleichterungen, wenn sie welche im Vorprogramm hatten

Tews sagt, es sei erzählerisch eine große Herausforderung, in nur wenigen Minuten Spielzeit auf den Punkt zu kommen. Und gerade so verdichtet gilt: „Kurze Filme überraschen einen eher als lange“. Und weil Kurzflime verglichen mit abendfüllenden Produktionen einigermaße einfach zu produzieren sind, sei der Kurzfilmtag eine sehr gute Gelegenheit, bisher noch unbekannten Filmemachern eine Bühne zu bieten.

Am Kurzfilmtag zeigt das City 46 deshalb auch eine Bremer Premiere. „Schreivogel“ ist eine Verfilmung der gleichnamigen Geschichte von Heinrich Hannover. Der ist eigentlich Rechtsanwalt, sicher einer der bekanntesten Bremens. Bereits in den 50er Jahren war er als „Kommunistenanwalt“ verschrien und in den 60er Jahren wurde er durch die Verteidigung Ulrike Meinhofs bundesweit bekannt. In seiner Freizeit aber schrieb er Kinderbücher, unter anderem das nun verfilmte Buch „Schreivogel“.

Die Hauptfigur heißt so, weil sie viel und laut schreit, wenn sie sich ärgert. Und das macht ihn leider zu einem äußerst anstrengenden und schwierigen Umgang. Erst zum Schluss findet er seinen Platz in der Gesellschaft. Schreivogel zeigt, wie wir mit Menschen umgehen, deren Eigenarten uns fremd sind. Er appelliere an Menschlichkeit und Toleranz und mache gleichzeitig Mut, sich selbst treu zu bleiben.

Nanja Heid und Dana Kleinschmidt, die Macherinnen des Films, werden nach der Vorführung für ein Gespräch bereit stehen. Auch Ezzat Nashashibi, der für die Musik verantwortlich und seit über 20 Jahren der Stummfilmpianist des City46 ist, wird dabei sein. “Heinrich Hannover wird auch versuchen zu kommen“, sagt Tews.

Neben “Schreivogel“ werden noch sieben weitere Animationsfilme gezeigt. Tews habe dafür die Highlights seines Kino-Lebens zusammengestellt. Durchaus auch Klassiker, aber dennoch seien sie eher unbekannt. Von preisgekrönten Produktionen wie “Alienation“, welcher das pubertäre Leben von Jugendlichen beschreibt. Über den, laut Tews, urkomischen Film “Hanging Around“, der vom Leben von Tieren im Zoo erzählt. Und bei dem einem das Lachen im Halse stecken bleibe. Bis hin zu dem 29 Minuten langen Film “Flatworld“, in dem Menschen, Tiere und Dinge aus Pappe sind. “Den kann man sonst nie zeigen, weil er weder richtig kurz, noch lang ist“, sagt Tews.

Er hofft, dass seine Filmauswahl zur Hälfte Spaß macht und zur anderen Hälfte für neue Erkenntnisse beim Publikum sorgt. Die Filme sollen Denkanstöße geben und vielleicht neue Sichtweisen entstehen lassen. “Eigentlich sollte man alles hinterfragen was man sieht“, sagt Tews, “aber das macht leider man viel zu selten.“

Infos: www.kurzfilmtag.com

Schauburg Kino, 22 Uhr

City46, 20.30 Uhr

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