Labourchef trifft jüdische Verbände: „Vertane Gelegenheit“

Nach antisemitischen Vorfällen hat Jeremy Corbyn jüdische Gruppen getroffen. Der Ton war freundlich. Doch sie erwarten keine Veränderungen.

Jeremy Corbyn spricht im Unterhaus

Die Kritik an Labourchef Jeremy Corbyn hört nicht auf Foto: dpa

LONDON taz | Jeremy Corbyn, Chef der britischen Labourpartei, hat sich vor einem lang erwarteten Treffen mit jüdischen Gruppen für antisemitische Vorfälle entschuldigt. „Meiner Partei und mir tut der Schmerz und die Bedrängnis, die wir zugefügt haben, leid. Wir müssen der unbequemen Tatsache ins Auge schauen, dass eine kleine Anzahl unserer Mitglieder und Unterstützer antisemitische Ansichten haben, welche konfrontiert werden müssen und schnellstens und effektiv bearbeitet werden.“

In der im Londoner Evening Standard in ganzer Länge gedruckten Entschuldigung sprach Corbyn manche Fälle der letzten Monate und Jahre an, inklusive einer Anspielung auf den suspendierten Ex-Bürgermeister von London, Ken Livingstone. Dessen Namen nannte Corbyn jedoch nicht. Livingstone hatte behauptet, dass Zionisten und Nazis gemeinsame Sache machten. Seine Labour-Mitgliedschaft ruht seit zwei Jahren.

Der britischen Arbeiterpartei wird seit langem vorgeworfen, nicht genug gegen Mitglieder vorzugehen, die etwa den Holocaust leugnen. Auch Corbyn werden antisemitische Tendenzen angelastet. Der jüdische Dachverband Board of Deputies (Bod) und der Rat jüdischer Gemeinschaftsführer (JLC) hatte im März aus Empörung wegen antisemitischer Vorfälle bei Labour zu einem Protest vor dem Parlament aufgerufen. Corbyn hatte danach versprochen, die jüdischen Gruppen zu treffen.

Dienstag war es so weit: Der Parteichef und die Generalsekretärin der Labourpartei, Jennie Formby, trafen auf die Führungsspitzen des Bod, des JLC und des Community Safety Trust (CST), zuständig für die Koordination der Sicherheit für jüdische Menschen in Großbritannien. Jonathan Arkush, der ausgehende Präsident des Bod, bestätigte der BBC, dass der Ton beim Treffen freundlich gewesen sei. Corbyn sei „extrem ansprechbar“ gewesen, habe interessiert ausgesehen. Dennoch: Seine eigene sowie die Schlussfolgerung der anderen jüdischen Vertreter sei, dass wohl keine konkrete Maßnahmen auf die Worte folgten. „Wir haben deshalb das Gefühl, dass das Treffen eine echte vertane Gelgenheit war“, monierte Arkush.

Corbyn bezeichnete das Gespräch selber jedoch als „positiv und konstruktiv.“ Immerhin hatte es vorher zumindest ein paar Maßnahmen gegeben: 20 Personen waren in den letzten 14 Tagen wegen antisemitischer Vorfälle und Verdachte suspendiert worden, außerdem hatte die Partei ein präventives Training gegen Antisemitismus angekündigt. Er habe außerdem Jennie Formby instruiert, die Verfahren gegen Antisemitismus zu ihrer größten Priorität zu machen, so Corbyn.

Jüdische Verbände sind unzufrieden mit Corbyn-Treffen

Doch laut Jonathan Goldstein vom JLC ist Corbyn nicht auf die Hauptforderungen des Bod und der JLC eingegangen. Sie fordern von Labour etwa feste Fristen für die Bearbeitung ausstehender Disziplinarverfahren, und wollen erreichen, dass die Partei die Antisemitismus-Definition der Internationalen Holocaust Erinnerungsallianz (IHRA) annimmt. Die Partei dagegen gab zu verstehen, dass diese Punkte keineswegs abgelehnt worden seien. Corbyn müsse diese rechtlich prüfen.

Während er sich gegenüber jüdischen Gruppen weiter rechtfertigen musste, attackierte Corbyn seinerseits am Mittwoch im Unterhaus Großbritanniens Premierministerin Theresa May und forderte ihren Rücktritt. Dabei ging es um die Probleme karibischer Ersteinwanderer*Innen aus den Jahren zwischen 1948 und 1970 durch eine Verschärfung des Einwanderungsgesetzes, dass unter ihr als Innenministerin eingeführt wurde. Alle vor 1973 eingewanderten Migranten aus der Karibik hätten das Recht auf britische Staatsbürgerschaft, so Corbyn.

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