Lange Haft von Deniz Yücel in der Türkei: Hoffen auf das Menschenrechtsgericht

Der EGMR entscheidet, ob die lange U-Haft die Rechte des „Welt“-Journalisten verletzt. Zuallererst muss aber seine Islolationshaft enden, so sein Anwalt.

Deniz Yücel im Porträt

Er ist der einzige Untersuchungsgefangene in Silivri, der in völliger Einzelhaft sitzt: Deniz Yücel Foto: dpa

BERLIN taz | Veysel Ok, der Anwalt des in türkischer Untersuchungshaft sitzenden deutschen Journalisten Deniz Yücel, hofft, dass der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg demnächst über eine Beschwerde seines Mandanten entscheidet. Unmittelbar zuvor hatte die türkische Regierung in Straßburg eine Stellungnahme eingereicht. Die Inhalte sind allerdings noch nicht bekannt.

Ok sprach auf Einladung der Berliner Rechtsanwaltskammer auf einer Veranstaltung in der Humboldt Universität. In der Türkei würden sich die Arbeitsbedingungen für Rechtsanwälte immer mehr verschlechtern, sagte er. Er sei aber erfreut, dass der Menschenrechtsgerichtshof des Europarates überhaupt die Beschwerde von Deniz Yücel angenommen habe: „25.000 Beschwerden, die seit der Einführung des Ausnahmezustandes im Juli 2016 in Straßburg aus der Türkei eingegangen sind, hat das Gericht abgelehnt“. Der Grund dafür sei immer, dass angeblich der Rechtsweg in der Türkei nicht ausgeschöpft sei.

„Der Menschenrechtsgerichtshof ist für uns in der Türkei juristisch die letzte und einzige Hoffnung“, kritisierte Ok. „Das Gericht hat seine historische Verantwortung angesichts der dramatischen Lage in der Türkei bis jetzt aber nicht erkannt oder weigert sich, diese Verantwortung wahrzunehmen“.

Bei Deniz Yücel habe wohl geholfen, dass sein Mandant jetzt seit 300 Tagen in Untersuchungshaft sitzt und immer noch nicht weiß, was ihm eigentlich vorgeworfen wird. Veysel Ok erhofft sich deshalb auch von der Stellungnahme der Regierung Aufschluss darüber, was in einer zukünftigen Anklage gegen Deniz enthalten sein könnte. „Es wäre logisch“, sagte er, „wenn die jetzt abgegebene Stellungnahme zu dem Verfahren in Straßburg weitgehend mit der zukünftigen Anklage gegen Deniz übereinstimmt“.

Ok darf als einziger Mensch außerhalb des Gefängnisses ohne zeitliche Begrenzung mit Deniz Yücel reden. Ihm zufolge geht es Yücel nach wie vor körperlich und psychisch gut, die Langzeitwirkung seiner brutalen Isolationshaft sei aber unabsehbar. „Deshalb brauchen wir als Allererstes eine Aufhebung dieser Isolationshaft“, sagte Ok. Deniz sei der einzige Untersuchungsgefangene in der Haftanstalt Silivri, in der die meisten politischen Gefangenen in der Türkei festgehalten werden, der in völliger Einzelhaft sitzt. „Alle anderen Häftlinge sind mindestens zu zweit oder zu dritt in ihren Zellen“.

Obwohl das Gericht in Straßburg dem Fall von Deniz und einigen anderen türkischen Journalisten Priorität eingeräumt habe, werde es bis zu einer Entscheidung wohl noch einige Monate dauern, sagte Ok. Das Gericht werde dann wohl auch nicht seine Freilassung verfügen, sondern darüber urteilen, ob die U-Haft die Rechte auf Meinungsfreiheit und körperliche Unversehrtheit von Deniz verletzt. Sollte das Gericht das bejahen, müsste ein türkisches Gericht die Aufhebung der Untersuchungshaft anordnen.

Über die Frage, was passiert, wenn die Türkei sich weigert, ein Urteil aus Straßburg umzusetzen, wollte Ok nicht spekulieren: „Warten wir erst einmal ab, wie der Menschenrechtsgerichtshof entscheiden wird. Alles Weitere sehen wir dann“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.