Langes TV-Interview mit Tsipras: „Die Menschen werden entscheiden“

Der griechische Regierungschef Tsipras glaubt an eine Einigung mit der EU. Bei strittigen Sparmaßnahmen könne aber ein Referendum notwendig sein.

Bleibt optimistisch: Alexis Tsipras. Bild: Reuters

ATHEN afp/ap | Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras hat sich zuversichtlich über eine baldige Einigung mit der EU über ausstehende Finanzhilfen geäußert, zugleich aber mit der Abhaltung einer Volksabstimmung über umstrittene Reformmaßnahmen gedroht.

Ziel seiner Regierung sei es, „wenn möglich diese Woche eine erste Einigung zu erzielen oder spätestens nächste Woche“, sagte Tsipras am Dienstag in einem dreistündigen Interview mit dem griechischen Sender Star TV. „Ich glaube, wir sind nah dran“, fügte Tsipras hinzu.

Eine erste Übereinkunft könne Ende nächster Woche erfolgen, sagte der griechische Regierungschef weiter. Anschließend könne sie von den europäischen Partnern Athens bestätigt werden. „Ich denke, dass wir bis zum 9. Mai eine Vereinbarung haben werden“ so Tsipras. Ein entscheidender Test für Athen wird der 12. Mai sein, an dem es dem Internationalen Währungsfonds rund 700 Millionen Euro zahlen muss.

Wenn Griechenlands Gläubiger seiner Regierung aber Maßnahmen abverlangten, die sich nicht mit dem Wahlprogramm seiner Partei Syriza vereinbaren ließen, müsse es ein Referendum geben. „Wenn ich letztlich mit einer Vereinbarung da stehe, die die Grenzen (meines Mandats) überschreitet, habe ich keine andere Wahl, die Menschen werden entscheiden“, sagte Tsipras in dem Interview.

Ein solches Referendum werde aber nicht nötig werden, da eine Vereinbarung zustande kommen werde. „Ich bin überzeugt, dass wir nicht an diesem Punkt anlangen werden“, sagte der Ministerpräsident. Vorgezogene Neuwahlen im Falle eines Scheiterns der Gespräche schloss der Syriza-Chef aus. Dafür gebe es keinen Grund.

Verhandlungsteam umgebildet

Die Euro-Länder hatten das Hilfsprogramm für das vom Staatsbankrott bedrohte Griechenland im Februar nochmals um vier Monate bis Ende Juni verlängert. Voraussetzung für die Auszahlung von weiteren 7,2 Milliarden Euro ist eine Liste mit belastbaren Reformen, welche die neue Regierung in Athen bisher aber nicht vorgelegt hat.

Als Kompromiss mit der EU sei seine Regierung zu einigen Privatisierungen bereit, sagte Tsipras nun. Für einige wichtige Projekte sollten Partnerschaftsabkommen geschlossen werden. Kurz nach ihrem Amtsantritt im Januar hatte Tsipras' Regierung angekündigt, die Privatisierung der großen Häfen Piräus und Thessaloniki zu stoppen. Damit hatte die linksgeführte Regierung ihre internationalen Geldgeber vor den Kopf gestoßen.

Tsipras bildete am Montag sein Verhandlungsteam um: Dabei wurde „ein politisches Verhandlungsteam“ geschaffen, wie es aus Regierungskreisen in Athen hieß. Offiziell untersteht es dem von den Euro-Geldgebern kritisierten Finanzminister Giannis Varoufakis. „Koordinator“ wird aber Vize-Außenminister Euklides Tsakalotos.

Tsipras begründete diesen Schritt in dem Interview damit, dass eine „bessere Koordinierung“ mit den technischen Experten der internationalen Gläubiger nötig sei. Zugleich stärkte der Regierungschef seinem Finanzminister den Rücken: Varoufakis sei ein „wichtiger Gewinn“ für die Regierung. Die Verhandlungen über die Finanzhilfen lägen aber „immer in der Verantwortung des Ministerpräsidenten“.

Die Unzufriedenheit in seinem Land über die harten Sparmaßnahmen hatte Tsipras bei der Wahl viele Stimmen beschert. Diese Unterstützung schwindet offenbar, wie eine von der Sonntagszeitung Proto Thema veröffentlichte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Alco zeigt.

Demnach ist das griechische Volk aufgrund des erbitterten Streits mit der EU um die Reformen gespalten: Etwas mehr als die Hälfte der Befragten war mit der Arbeit der Linksregierung unzufrieden und genau die Hälfte befürwortet einen Kompromiss mit den internationalen Geldgebern, um die noch in diesem Monat zur Abwendung eines Staatsbankrotts benötigte letzte Milliardenrate aus dem Rettungspaket zu bekommen.

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