Lebensversicherer dürfen kürzen: „Verfassungswidrige Enteignung“

Der BGH urteilt, dass Lebensversicherer die Beteiligung an Bewertungsreserven beschränken dürfen. Versicherte müssten die Kürzungen hinnehmen.

Büroturm in Düsseldorf mit den Schriftzug "Ergo"

Das Victoria-Haus in Düsseldorf ist Hauptsitz des Ergo-Konzerns Foto: dpa

FREIBURG taz | Der Bundesgerichtshof (BGH) kann keine unzulässige Enteignung der Versicherten erkennen. Er hält das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) von 2014 für verfassungskonform. Eine Klage des Bunds der Versicherten (BdV) blieb daher im Kern erfolglos.

Unternehmen, die Lebensversicherungen anbieten, legen die Beiträge ihrer Kunden am Kapitalmarkt an und versuchen damit Gewinne zu erwirtschaften, auch im Interesse der Versicherten. Der konkrete Gewinn entsteht aber erst, wenn das Versicherungsunternehmen seine Wertpapiere verkauft. Bis zum Verkauf spricht man von „Bewertungsreserven“ – falls Wertpapiere inzwischen mehr wert sind als beim Ankauf. An diesen Bewertungsreserven müssen ausscheidende Versicherungsnehmer seit 2008 zur Hälfte beteiligt werden.

Auf Drängen der Versicherungsunternehmen hat der Bundestag 2014 allerdings den Anspruch auf Auszahlung von Bewertungsreserven eingeschränkt. Sie dürfe nicht die Auszahlung der garantierten Zinsen für andere Kunden gefährden. Begründet wurde dies mit dem „lang anhaltenden Niedrigzinsumfeld“, das es den Unternehmen erschwere, überhaupt Gewinne zu erwirtschaften.

Die Einschnitte seien erforderlich, um die Leistungsfähigkeit der Versicherer mittelfristig zu erhalten. Die Zahlung der Garantiezinsen wurde also dadurch gesichert, dass die Auszahlung von Bewertungsreserven beschränkt wurde.

Der Bund der Versicherten kritisierte diese Regelung im LVRG. Es handele sich hier um eine verfassungswidrige Enteignung. Der BdV ließ sich von einem Kunden dessen Ansprüche gegen die Victoria-Lebensversicherung abtreten, die zum Ergo-Konzern gehört. Der Kunde sollte aus seinem 2014 auslaufenden Vertrag eigentlich 2.821,35 Euro Anteil an den Bewertungsreserven erhalten, so eine Ankündigung der Versicherung. Dann trat aber das neue Gesetz in Kraft und er erhielt nur noch 148,95 Euro. Der BdV klagte diesen Fall durch die Instanzen.

Der BGH hält das LVRG jedoch für verfassungsgemäß. Er legte das Gesetz deshalb nicht dem Bundesverfassungsgericht vor. Das LVRG sei ein ausgewogener Kompromiss zwischen den Interessen der Versicherten, die ausscheiden, und denjenigen, deren Verträge noch weiter laufen. Es nehme auch die Aktionäre der Unternehmen in die Pflicht, weil es in bestimmten Konstellationen die Auszahlung von Dividenden beschränkt.

Die Konsequenz

Der konkrete Fall wurde vom BGH allerdings an das Landgericht Düsseldorf zurückverwiesen. Dort muss noch geprüft werden, ob die Lage der Victoria-Versicherung wirklich so schlecht war, dass sie den Kundenanteil an den Bewertungsreserven so stark reduzieren musste.

Der BdV prüft nun eine Verfassungsbeschwerde gegen das BGH-Urteil. Außerdem fordert der BdV den Bundestag auf, das LVRG im Interesse der Versicherten nachzubessern. Das Gesetz wird zufälligerweise gerade ohnehin evaluiert.

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