Liste von Abtreibungsärzt*innen: Murks bleibt Murks

Eine Liste zeigt, wer in Deutschland Schwangerschaftsabbrüche vornimmt. Die Folge ist maximale Verunsicherung.

Frauen protestieren mit rot gemalten Händen auf dem Mund für eine Liberalisierung der Abtreibung

Weltweit protestieren Frauen für liberalere Abtreibungsgesetze. Hier in Santiago de Chile Foto: dpa

Nun ist sie da: die Liste, von der schon vorher klar war, dass sie zum Scheitern verurteilt ist. Die Bundesregierung beauftragte die Bundesärztekammer aufzulisten, wer in Deutschland Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Bislang stehen gerade mal 87 von rund 1.200 Mediziner*innen deutschlandweit auf dieser Liste.

Ein paar mehr dürften es im Laufe der Monate noch werden. Wer aber glaubt, dass diese Liste in absehbarer Zeit auch nur annähernd einen Überblick über die Versorgungslage gibt, der träumt. Das liegt zum einen an der Methodik: Bislang finden sich dort vor allem jene, die schon längst auf ähnlichen Listen der Bundesländer Hamburg und Berlin standen. Diese hat die Bundesärztekammer schriftlich gefragt, ob sie auch auf die bundesweite Liste wollen. Die Übrigen sollen offenbar nicht eigens angeschrieben werden. Stattdessen sollen sie die Aufnahme selbst beantragen. Mehr Aufwand bedeutet in solchen Situationen immer: weniger Rücklauf.

Vor allem aber liegt es an der fortdauernden Stigmatisierung und Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und jenen, die sie entweder brauchen oder durchführen. Die Liste ist Teil eines unzureichenden Kompromisses der Bundesregierung im Streit um Paragraf 219a Strafgesetzbuch. Auch nach der Reform bleibt die Information darüber, wer Schwangerschaftsabbrüche wo und wie durchführt, streng reglementiert. Was genau nun erlaubt ist, darin sind sich derzeit nicht einmal die Gerichte einig.

Was folgt, ist ein Klima maximaler Verunsicherung. Dabei bräuchte es Ermutigung und Rückendeckung – zumal die Zahl derer, die den Abbruch überhaupt anbieten, zurückgeht. Solange noch immer Gerichte Ärzt*innen wegen Informationen auf ihrer Webseite verurteilen, solange ungewollt Schwangere mit einer Abtreibung eine straffreie „Straftat gegen das Leben“ begehen und solange „Lebensschützer*innen“ sich vor Beratungsstellen und Arztpraxen aufstellen und Menschen einschüchtern, ohne dass die Politik dem etwas entgegensetzt – so lange darf sich niemand wundern, wenn Ärzt*innen sich weigern, ihren Namen auf eine zentrale Liste setzen zu lassen.

Jede Information über den Schwangerschaftsabbruch muss legal möglich sein

Denn es ist nur zu wahrscheinlich, dass aus einem solchen Verzeichnis schnell ein Online-Pranger wird: ein Nachschlagewerk für Abtreibungsgegner, die Mediziner*innen mit Mördern vergleichen und Abtreibungen mit dem Holocaust. Ziel unserer Gesellschaft muss es sein, ungewollt Schwangere und jene, die ihnen helfen, zu unterstützen. Dafür muss jede Information über den Schwangerschaftsabbruch legal möglich sein – und der Eingriff selbst auch. Es ist höchste Zeit.

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leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

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