Lohndumping bei Zeit: Knochenjob fürs Info-Frühstück

Statt Mindestlohn bekamen die Austräger Anfang Februar erst mal gar nichts.

Unterbezahlt noch vor dem Morgengrauen: Der Austräger. Bild: dpa

BREMEN taz |Am 1. Januar ist für die Zeitungszusteller eine neue Zeit angebrochen – nach zähen Verhandlungen mit den Verlagen greift das „Mindestlohn“-Gesetz. Zwar reduziert in den ersten zwei Jahren, immerhin aber 6,37 Euro pro Stunde sollen Zeitungsausträger bekommen. Marco B. zum Beispiel, Austräger in Bremen, ist jede Nacht zwischen zwei und fünf Uhr unterwegs, um „eine Tour“ Zeitungen auszutragen. Bei Wind und Schnee. Im Dezember hat er dafür etwas mehr als 200 Euro bekommen.

„Das ist wirklich ein Scheißjob“, sagt Martin Bellack, Geschäftsführer von fast einem Dutzend Bremer Zustellfirmen, „nicht einmal eine gute Berufskleidung wollen die Verlage finanzieren.“ 200 Euro, das kann sein, früher, sagt Bellack – „das gibt es nicht mehr mit dem neuen System“. Wer jede Nacht eine Stunde arbeitet, der kommt auf 237 Euro, sagt der Geschäftsführer. Wer jede Nacht drei Stunden arbeitet, müsste auf 711 Euro kommen.

Entsprechend erwartungsvoll haben die Austräger am 5. Februar auf ihr Konto geguckt. Doch da war nichts gekommen, gar nichts. Die meisten Austräger leben von der Hand in den Mund, Anfang des Monats werden Miete und Stromabschlag fällig. „Das fanden wir alle Scheiße, dass kein Geld da war“, sagt Träger Robert N. Die Träger wurden vertröstet, die neue Abrechnung benötige Zeit. Aber eine Abschlagszahlung hatte es auch nicht gegeben.

Inzwischen, mit fünf Tagen Verspätung ist das Geld da. „Praktisch dieselbe Summe wie im Dezember“, sagt Marco B. enttäuscht. Er kann das nicht nachvollziehen. Einen neuen Vertrag mit den neuen Abrechnungsmethoden hat er nicht, wie sein Trägerlohn berechnet wird, weiß er nicht. „Das kommt“, sagt Geschäftsführer Bellack. Wer die Berechnung nicht nachvollziehen kann, könne zudem zu ihm kommen. Rund 20 Prozent mehr an Löhnen habe er ausgezahlt, unter dem Strich.

Beim Austräger Robert N. ist das angekommen – sogar fast 300 Euro mehr hat er für den Januar bekommen. Wie das berechnet wurde, kann auch er mangels Lohnzettel nicht nachvollziehen.

Den Verlagen, neben dem Weser Kurier unter anderem auch der FAZ, der Kreiszeitung und der taz habe er die Mehrkosten „großzügig“ in Rechnung gestellt, sagt Bellack, er sei froh, dass die das akzeptiert haben – denn er könne nur verteilen, was er von den Verlagen bekomme. Insgesamt könnten die Abo-Preise um rund zwei Euro oder mehr steigen, da die Verlage keine Reserven haben, um die höheren Trägerkosten aufzufangen. Weser-Kurier-Geschäftsführer Jan Lessmann hatte bei „buten & binnen“ im vergangenen Jahr erklärt: „Wir haben das für uns auch schon mal versucht, intern hochzurechnen.“ Der Kurier werden mit einem hohen sechsstelligen Betrag betroffen sein. Andy Bull von der taz-Geschäftsführung wartet noch darauf, wie die Trägerdienste die Mindestlöhne abrechnen.

Wenn Preiserhöhungen zu weiteren Abbestellungen führen, wird das für die Austrägerdienste besonders teuer – die Wege bleiben genauso lang, kosten also dieselbe Zeit, nur die Abo-Dichte nimmt ab. Und die Verlage zahlen an den Trägerdienst nicht Stundenlohn, sondern nach Stückzahl.

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