Mädchenbeschneidung in Großbritannien: Verschwörung zur Verstümmelung

Im Bestreben, Mädchen besser vor Beschneidung zu schützen, greift die britische Polizei zu unorthodoxen Maßnahmen.

Premier Cameron informiert sich bei Aktivistinnen auf dem „Girl Summit“ über die Folgen der Genitalverstümmelung. Bild: dpa

LONDON taz | In Großbritannien will die Regierung vehementer gegen weibliche Genitalbeschneidung vorgehen. Am vorletzten Freitag wurden am Londoner Flughafen Heathrow eine 40-jährige Frau und ein 72 Jahre alter Mann aus Uganda mit Verdacht auf „Verschwörung zu einer weiblichen Genitalverstümmlung (FGM)“ bei der Einreise angehalten und am folgenden Tag festgenommen. Ein elfjähriges Mädchen, das mit ihnen reiste, wurde der staatlichen Fürsorge übergeben.

Die beiden Erwachsenen wurden auf Kaution zwei Tage später wieder freigelassen, die Ermittlungen laufen weiter. Ob das Mädchen auch wieder zu Hause ist und ob sie überhaupt beschnitten wurde, ist nicht bekannt. Hier besteht Anonymitätspflicht. Eventuell weiß man es auch noch gar nicht, denn eine medizinische Untersuchung darf nur mit Einverständnis der Fürsorgepflichtigen vorgenommen werden.

Es ist nicht der erste Einsatz dieser Art. Seit April suchen 80 speziell ausgebildete Beamte am Heathrower Flughafen nach mutmaßlich von Genitalverstümmelung bedrohten Mädchen. Bis Anfang nächsten Jahres sollen solche Teams an allen großen Grenzübergängen operieren, inklusive der Seehäfen.

Genitalverstümmlung an Frauen ist in Großbritannien seit 1987 strafbar. Allerdings ist noch nie jemand deswegen verurteilt worden. Im vergangenen Juni befand eine Regierungskommission, es müssten unter anderem auch Hausärzte und Lehrer ihre Pflichten ernster nehmen, um FGM zu erkennen und Fälle vor Gericht zu bringen. Ein erster Prozess läuft.

Kontrolle bei Ein- und Ausreise

Die britische Anti-FGM-Organisation „Forward“ schätzt, dass in Großbritannien fast 24.000 Mädchen unter 15 Jahre potenziell gefährdet seien. Forward-Direktorin Naana Otoo-Oyortey hält die letzten Festnahmen für ein klares Signal, dass die britische Regierung nun endlich die notwendigen Vorkehrungen treffe. Sie warnt jedoch, dass die Bestrafung von Eltern, die ihre Kinder beschneiden lassen, parallel mit präventiven Maßnahmen laufen müsse. „Hier wurde noch nicht genug getan. Wir fordern mehr Gespräche dazu, etwa in den Schulen und in den davon betroffenen Bevölkerungsgruppen“, sagt Otoo-Oyortey zur taz.

Einwanderungsstaatssekretär James Brokenshire sagte, dass der Grenzschutz eine wichtige Rolle in den Bemühungen spiele, „FGM durch das Sammeln von Fakten und speziellen Maßnahmen an der Grenze zu beenden“. Er fügte an, dass „Mädchen gerade in den Schulferien gefährdet sind“. Eine Sprecherin des Innenministeriums führte gegenüber der taz aus, dass Kontrollen sowohl bei der Ausreise als auch bei der Einreise durchgeführt würden. Als Risikoländer gelten Somalia, Sierra Leone, die Demokratische Republik Kongo, Kenia, Äthiopien, Ghana, Nigeria, Dubai, Ägypten und die Türkei. Bei Verdacht werde Familien unter anderen ein Dokument ausgehändigt, welches die Rechtslage in Großbritannien erklärt und vor einer Beschneidung warnt. Das Dokument ist in verschiedenen Sprachen erhältlich.

Die Direktorin einer britisch-ugandischen Fürsorgeanstalt in London gab sich überrascht, als sie hörte, dass es sich bei den neuesten Verdächtigen um Ugander handele. „Ich habe gehört, dass Ugander nur Jungs beschneiden“, sagt sie. Nur wenige kleine ethnische Gruppen im Osten Ugandas praktizieren weibliche Genitalverstümmelung, und in Uganda selbst ist das verboten.

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