Mediale Schlammschlachten: Im Namen der Persönlichkeit

Wenn Promis vor Gericht stehen, haben sie immer häufiger ihre Medienanwälte dabei. Die sind längst auch ihre PR-Berater.

Ex-No-Angels-Sängerin Nadja Benaissa 2010 im Gerichtssaal in Darmstadt. Ihr wurde vorgeworfen, einen Partner mit HIV angesteckt zu haben. Bild: reuters

Egal ob Alice Schwarzer, Jörg Kachelmann oder andere Prominente: Gibt es Ärger, der öffentlich wird, treten Medienanwälte auf. Teilweise werden diese fast genauso bekannt wie ihre Mandanten. Diese „Öffentlichkeitsarbeit im Rechtsstreit“ nennt sich „Litigation PR“. Und die nimmt in den letzten Jahren zu.

„Dadurch, dass sich der Anwalt äußert, wird die Aufmerksamkeit vom Betroffenen weggenommen“, erklärt der Jurist Christian Schertz das Phänomen und bestätigt eine Zunahme in den letzten fünf Jahren: „Diese Entwicklung kommt aus den USA, schon seit jeher fungieren dort Anwälte als Pressesprecher für die Prominenten in medialen Krisenfällen. Gleiches gilt aber auch für Unternehmen. Denn alles was in den Medien geäußert wird, hat ja auch eine rechtliche Qualität.“

Schertz äußert sich häufig öffentlich, etwa zu den Veröffentlichungen zu Alice Schwarzers Selbstanzeige, die er als „unerträgliche Verletzung des Steuergeheimnisses und der Persönlichkeitsrechte von Alice Schwarzer“ kritisierte. Schertz wird als „Medienanwalt“ bezeichnet, aber was ist darunter zu verstehen?

„Als ich anfing, gab es den Begriff noch gar nicht. Wir haben uns nach US-Vorbild als ’Entertainment Lawyer‘ bezeichnet“, sagt die Juristin Rafaela Wilde. Heute seien Medienanwälte eine wichtige und starke Gruppe in ihrem Berufsstand. Ihr Kanzleikollege Christian Solmecke beispielsweise ist gerade dabei, zu klären, ob die Abmahnwelle gegen die Nutzer des Pornoportals „Redtube“ ein Betrugsmanöver war.

Persönlichkeitsrechte, Urheberrechte

Persönlichkeitsrechte, Urheberrechte, wirtschaftliche Themen bei Medienkonzernen oder Mitarbeiterverträge sind weitere Einsatzgebiete von Medienanwälten. Auch bei Justizirrtümern ziehen Advokaten gerne Medien hinzu. Dass die Branche boomt und mehr als genug zu tun hat, - darüber sind sich alle einig - liegt am Internet. „Heute kann jeder jeden filmen oder fotografieren und das sofort weltweit verbreiten“, formuliert es Schertz. „Das war vor fünfzehn Jahren so nicht möglich, allenfalls Prominente waren davon betroffen.“

So wie Caroline von Monaco, die mit ihren juristischen Aktivitäten der Anwaltszunft ganz neue Möglichkeiten eröffnete: Seit Beginn der 1990er Jahre ging die Prinzessin mithilfe von Rechtsbeiständen vehement gegen Veröffentlichungen von Paparazzi-Fotografien vor. Unter anderem waren Fotos von ihr, die sie teils mit ihren Kindern, teils allein beim Einkaufen auf dem Markt oder mit dem Fahrrad auf dem Feldweg zeigten, von der Bunten abgedruckt worden.

Es kam zu mehreren Prozessen, bis hin zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dessen Richter gaben ihr 2004 recht und beschränkten die Berichterstattung der Boulevardpresse erheblich. Die Bundesrepublik Deutschland musste der Fürstentochter zudem eine Entschädigung von 115.000 Euro bezahlen, da durch die vorangegangenen Urteile deutscher Gerichte die Persönlichkeitsrechte der Prinzessin und ihrer Familie nicht ausreichend geschützt worden seien.

Berichterstattung stigmatisiert

Schertz verdammt jedoch nicht generell jegliche Art von Berichterstattung aus dem Leben von Prominenten: „Wulff beispielsweise ist kein Medienopfer, er hat hier vieles selbst verschuldet, insbesondere durch sein Krisenmanagement.“

Grundsätzlich jedoch, so sieht es seine Zunft, kann Berichterstattung Menschen eben auch zerstören: aktuelles Beispiel ist Sebastian Edathy; der sei durch die bisherigen Informationen, die über die Medien verbreitet worden waren, beruflich und gesellschaftlich vernichtet. Dabei kommen Angaben zu Straftaten und Verdachtsmomenten heute immer häufiger von den ermittelnden Behörden. Auch sie haben medial aufgerüstet, um im Kampf im Gerichtssaal der Öffentlichkeit bestehen zu können – gegen Prominente, aber auch gegen normale Bürger.

„Die beste Litigation PR für Bürger, denen eine Straftat vorgeworfen wird, besteht letztlich darin, zu vermeiden, dass überhaupt berichtet wird. Berichterstattung über eine Verdächtigung ist immer schlecht, weil sie stigmatisiert und zur Vorverurteilung führt“

Bis heute ist der Berliner Anwalt verärgert über die Vorgehensweise der Ermittlungsbehörden im Fall einer ehemaligen Sängerin der No Angels. Sie war festgenommen worden mit dem Vorwurf, einen Partner mit HIV infiziert zu haben. Details aus dem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren, darunter auch Einzelheiten zu ihrem Gesundheitszustand gelangten noch vor der Verhandlung an die Öffentlichkeit.

„Das muss niemand dulden, dass die Ermittlungsbehörden in derartigen Fällen den Medien faktisch unbegrenzt Auskunft geben“, kritisiert Schertz die damaligen Vorgänge. So hatte der damalige Pressesprecher der Staatsanwaltschaft sich umfassend etwa gegen dem Magazin RTL Exclusiv zu den Vorwürfen geäußert. „Das Gericht hat später den medialen Tsunami als erheblich strafmildernd gewertet. Das ist mittlerweile übrigens einer der wichtigsten Milderungsgründe.“

Dass Medienanwälte aber so manche mediale Schlammschlacht mit befeuern, das bestreitet er: „Ich befeuere nichts, sondern versuche, meine Mandanten zu schützen, sodass sie von den Medien nach Recht und Gesetz behandelt werden.“

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