Medienberichte über Jan Böhmermann: Nacheiern, was im Netz steht

Nur der „Tatort“ erhält soviel Aufmerksamkeit in den Medien wie Jan Böhmermann. Klar, er bringt Klicks. Nur: Journalismus ist das nicht.

Ein Mann im Anzug vor buntem Hintergrund

In der Kulisse seiner Sendung „Neo Magazin Royale“: Jan Böhmermann Foto: dpa

Mittlerweile läuft das ziemlich routiniert: ZDFneo sendet am Donnerstagabend Jan Böhmermanns „Neo Magazin Royale“ und spätestens Freitagmittag kann man auf zahlreichen Nachrichtenseiten im Internet nachlesen, was der Satiriker diese Woche wieder Witziges gemacht hat. Allein zu seinem neuesten Streich, der Parodie auf Xavier Naidoos Band „Söhne Mannheims“, findet Google News über 30 Beiträge. Von stern.de über faz.net, jetzt.de, Lokalzeitungsseiten bis hin zur Gala– alle berichten über das Video, in dem Böhmermann pegida-eske Texte auf Xavier Naidoos Lieder singt.

Naidoo hat gerade ein neues Lied veröffentlicht, das klingt, als hätte es Lutz Bachmann persönlich geschrieben. Böhmermann parodiert es. Das ist sein Job als Satiriker und den macht er gut. Aber das ist kein Grund, in kollektiven Jubel zu verfallen, wie es viele dieser Onlinetexte über das Video machen. Und das mittlerweile jede Woche: Böhmermann produziert einen Internethit – #Varoufake, #Verafake, #Menschenlebentanzenwelt – und alle schreiben darüber. Keine andere Fernsehsendung außer dem „Tatort“ bekommt so viel Aufmerksamkeit.

Aber warum? Böhmermann macht nicht nur Fernsehen, sondern auch Internet. Jede seiner Sendungen hat einen Hashtag der Woche, damit die Zuschauer über sie twittern können. Böhmermanns Tweets werden hundert-, manchmal tausendfach geliked und geteilt, seine YouTube-Videos millionenfach angeschaut. Böhmermann klickt sich gut. Und von diesen Klicks wollen die Onlineredaktionen etwas abhaben.

*** Kleiner Werbeblock: Böhmermann war in der US-Talkshow von Seth Meyers. Lesen Sie dazu einen der über 30 Internetartikel oder sehen Sie sich einfach selbst das Video an ***

Übertragen wir die Berichterstattung über Böhmermann doch mal in die analoge Welt: Ein Satiriker tritt im Stadttheater auf. Kein Fernsehen, kein Livestream, kein Hashtag. Die Lokalzeitung schreibt jede Woche einen kleinen Text darüber, was der Satiriker wieder Lustiges erzählt hat. Die Zeitung berichtet, weil was los ist in der Stadt. Weil nicht jeder da sein konnte. Weil der Satiriker über den Bürgermeister lästert. Böhmermanns Sendung hingegen kann sich jeder und jede im Internet angucken. Wozu braucht es also noch zehn Texte im Netz?

Eine Lokalzeitung, die etwas auf sich hält, würde zudem eine Rezension über den Auftritt schrei­ben. Waren die Witze gelungen, die Vergleiche schief? Wie reagierte das Publikum? Die Internetabschreiber in den Onlineredaktionen schreiben dagegen einfach Böhmermanns Witze auf, die zwei lustigsten Zitate, einen Kasten für das Video: Zackfeddich, Artikel.

Auf dieses Prinzip bauen mittlerweile viele Webseiten. Ein Video geht viral, ein Bild verbreitet sich im Netz und Webseiten wie Buzzfeed, bento und ze.tt schreiben: Lesen Sie hier, was nebenan in diesem Internet auch selbst sehen können. Das mag 10.000 Klicks bringen, aber Journalismus ist das nicht.

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