Meeresschutz: Dem Müll auf der Spur

Eine Aufklärungstour unternimmt der Naturschutzbund Nabu auf der Ostsee. Der Zivilisationsmüll, der Fische und Meeressäuger tötet, soll künftig vermieden werden.

Giftig und sogar tödlich: Zivilisationsmüll ist eine schwere Bedrohung des Lebens in den Meeren. Bild: dpa

HAMBURG taz | So richtig kooperativ sei die Ostsee bisher leider nicht gewesen, sagte Kim Detloff. Tags zuvor, am Samstag, war der Projektleiter Meeresschutz beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu) mit dem Traditionssegelschiff „Lovis“ in Burgstaaken auf der Ostseeinsel Fehmarn zu einer einwöchigen Expedition aufgebrochen – dem Müll auf der Spur. Aber bei Windstärke 5 bis 6 seien in der Lübecker Bucht nicht alle Tests möglich gewesen.

An Bord ist eine 20-köpfige Crew aus Nabu-MitarbeiterInnen, MeeresexpertInnen und WissenschaftlerInnen der Uni Hamburg, die die Wasserqualität untersuchen und gefundenen Müll analysieren will. „Wenn ein Kanister oder eine Plastiktüte vorbeischwimmt“, sagt Dethloff, „keschern wir die schon raus.“

Nabu-Präsident Olaf Tschimpke berichtet: „Ein Großteil des Mülls im Meer kommt vom Land und gerät über Flüsse und Abwässer ins Meer. Auch der Abfall an den Stränden ist ein Problem. Betroffen sind hier auch die Küstenkommunen, die viel Geld für die Reinigung ihrer Strände ausgeben müssen.“ Die Reise der „Lovis“ solle dazu beitragen, Ideen zur Müllvermeidung an den Küsten voranzutreiben, die Meeresnatur zu schützen und die Kommunen auf Dauer finanziell zu entlasten.

Nicht nur in der Ostsee ist Zivilisationsmüll zur schweren Bedrohung für die Meeresumwelt geworden. Das Umweltbundesamt errechnete im Jahr 2011, dass weltweit mehr Tonnen Müll ins Meer gekippt werden, als Fisch gefangen. Allein die Ostseebäder an der Lübecker Bucht geben Jahr für Jahr mehr als eine Million Euro aus, um ihre Strände von angeschwemmten Nylonschnüren, Farbdosen oder Pet-Flaschen zu säubern. Vor allem die Kunststoffe sind eine Gefahr für Fische, Seevögel und Meeressäuger: Sie zerbröseln, sind häufig giftig und beim Verschlucken nicht selten tödlich.

Im Jahr 2011 starteten der Naturschutzbund (Nabu), das Duale System Deutschland (DSD) und die Genossenschaft Küstenfischer Nord aus Heiligenhafen an der Ostsee das Modellprojekt "Fishing for Litter".

Auf See werfen die Fischer den Abfall, der ihnen ins Netz geht, nicht mehr wieder ins Meer, sondern bringen ihn mit in den Hafen. Für den Transport erhalten sie kostenlos "Big Bags", strapazierfähige Müllsäcke.

Im Hafen kümmern sich kommunale Entsorger und das DSD für die sachgerechte und kostenlose Entsorgung; diese ist für die Fischer kostenlos. Der Abfall wird vom DSD sortiert, gewogen und analysiert, anschließend wird er recycelt oder in Müllverbrennungsanlagen verbrannt.

Monitorings des Nabu in den Jahren 2011 bis 2014 zeigten auf Fehmarn eine Müllbelastung von etwa 90 Teilen pro 100 Meter Strandabschnitt, auf Rügen waren es demnach sogar fast 200 Teile. Neben Einträgen aus Schifffahrt und Fischerei wird dort ein größerer Teil der Plastikabfälle vom Land eingebracht, unter anderem durch den Tourismus oder über die Flüsse. Bis zu 75 Prozent der Fundstücke sind dabei aus Plastik.

2011 startete deshalb der Nabu zusammen mit der Küstenfischer-Genossenschaft aus Fehmarn und Heiligenhafen dort das Projekt „Fishing for Litter“ (siehe Kasten). Angeschlossen hat sich inzwischen Sassnitz auf Rügen, an der Nordsee beteiligen sich sechs Fischereihäfen an dem Projekt. Über fünf Tonnen Müll wurden inzwischen gesammelt und an Land gebracht – ein Anfang.

Denn nach Schätzungen der Meeresschützer gelangen jährlich jeweils etwa 20.000 Tonnen Müll in die Ostsee und die Nordsee. Vermutlich befinden sich bereits bis zu 600.000 Kubikmeter Müll auf dem Meeresboden der beiden vielgenutzten kleinen Meere. An den Stränden der Nordsee wird seit 2001 der Müll systematisch untersucht. Im niederländisch-deutschen Wattenmeer liegen auf 100 Metern Küstenlinie im Schnitt 236 Müllteile.

Mehr als 60 Prozent aller Müllteile dort bestanden aus Plastik und Styropor – für Meeresbewohner hochgefährliche Stoffe. Etwa ein Viertel machten Glas, Papiere und Pappen aus, zudem fanden sich Metalle und Gummi, fast zwei Prozent waren Hygieneartikel wie Toilettenpapier, Tampons und Kondome.

Die Tour der „Lovis“ führt über Neustadt/Holstein und Rostock-Warnemünde bis nach Stralsund. Dort endet die Fahrt am Freitag mit einem Informationsprogramm vor dem Ozeaneum, dem größten deutschen Meeresmuseum. Am heutigen Montag kommt Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) im Neustädter Hafen an Bord. Mit 26.500 Euro für Säcke, Container und Müllanalysen will sein Haus das Litter-Projekt unterstützen und auf alle Häfen des Landes ausweiten. „Das ist gut“, sagt Dethloff, „ihn mit im Boot zu haben.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.