Mehr Barrierefreiheit: Freie Bahn für Blinde

Im Forum am Wall und in der Stadtbibliothek soll die Barrierefreiheit verbessert werden. Behindertenverbände, Stadt und Baufirma haben sich vorm Güterichter geeinigt.

Ein Treppenaufgang ist so in einen Raum gebaut, dass er unterlaufen werden kann

Treppen unterlaufen ist voll 2015 – inzwischen dürfte man so wohl nicht mehr bauen Foto: Jan Zier

BREMEN taz | Streit ist nicht immer schlecht. Und doch hat auch eine Einigung meist etwas Gutes: Nach einer Güteverhandlung der Stadt mit dem Verein Selbstbestimmt Leben und der Baufirma des Forums am Wall muss der Zugang zur Bibliothek verbessert werden.

Bald soll es dort endlich ein barrierefreies Blinden-Leitsystem mit umfassender Wegführung, neuen Handläufen und taktilen Warnhinweisen auf eine freischwebende Treppe geben, an der sich sehbeeinträchtigte Personen bislang gewaltig den Kopf stoßen konnten.

Ein von der Baubehörde 2015 genehmigter Umbau durch einen privaten Investor hatte dafür gesorgt, dass sich die Barrierefreiheit im Forum am Wall und damit auch der Zugang zur Stadtbibliothek deutlich verschlechtert hatten. Unterschiedlich breite und hohe Rampen, freistehende Metallstangen der Treppenkonstruktion und asymmetrische Stufen sorgen seitdem dafür, dass es Streit um dem Umbau gibt.

Der Verein Selbstbestimmt Leben hatte mit weiteren Vereinen nach zahlreichen Beschwerden eine Verbandsklage gegen die Genehmigung der Stadt eingereicht, die er nun im Gegenzug zu den Verbesserungen zurückzieht. Warum nicht gleich so? Genau deswegen hätte der Landesbehindertenbeauftragte Joachim Steinbrück sich gerne weiter mit der Stadt gestritten.

Steinbrück, ehemaliger Richter, findet es zwar gut, dass eine konkrete Einigung erzielt wurde, welche die Situation vor der Stadtbibliothek verbessert. Auf der anderen Seite sei es schade, dass die Klage damit vom Tisch ist: „Der Jurist in mir hätte gerne eine Grundsatzentscheidung gehabt.“ Noch immer ist er der Meinung, dass die Baubehörde 2015 keine Genehmigung für die Umbauten hätte erteilen dürfen. Er würde die Behörde gerne darauf festnageln.

Frei stehende Stangen der Treppe sorgten dafür, dass es Streit gab

Nur wenige Monate nach der Genehmigung hatte sich damals das Baurecht im Sinne der Barrierefreiheit geändert. Aber auch schon damals hätte die Stadt aus Sicht von Steinbrück einen Ermessens­spielraum gehabt, weil es sich bei der öffentlichen Bibliothek im privaten Wall-Forum um einen Sonderbau handele.

So wäre es der Baubehörde gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention sehr wohl möglich gewesen, strengere Auflagen zu erteilen – für ein Blindenleitsystem und deutliche Stufenmarkierungen etwa. Die Baubehörde hatte bis zuletzt bestritten, dass sie dazu rechtlich in der Lage gewesen wäre.

Für künftige Bauvorhaben ist die Lage glücklicherweise klarer: Das Baurecht ist mittlerweile mit Blick auf die Barrierefreiheit verbessert worden. Hinzu komme, so hofft Steinbrück, ein Umdenken in den Ämtern: „Nach Erhebung der Verbandsklage durch Betroffene wird das Problem nun in der Baubehörde ernster genommen.“

Im Rahmen des Mediationsverfahrens haben Stadt, Baufirma und Selbstbestimmt Leben neben den Maßnahmen für die Barrierefreiheit in einer gemeinsamen Erklärung festgehalten, „dass zukünftig die Kommunikation in baurechtlichen Genehmigungsverfahren im Hinblick auf die Barrierefreiheit verbessert werden soll“ und Barrierefreiheit „institutionell besser abzusichern“ sei. Konkretisieren kann dies die Behörde zwar nicht, beteuert aber, dass künftige Projekte zeigen sollen, dass „Probleme besser gemeinsam erkannt und gelöst werden“.

Selbstbestimmt Leben ist zufrieden mit dem Ergebnis, wie Wilhelm Winkelmeyer sagt: „Wir haben etwas erreicht, ich habe aber auch Verständnis für Steinbrücks Haltung.“

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