Mehr alkoholvergiftete Kinder: Weniger blau, schneller eingeliefert

Die Polizei greift weniger betrunkene Kinder und Jugendliche auf. Dennoch werden mehr Alkoholvergiftungen behandelt - weil die Sensibilität gestiegen ist, so der Senat.

Erwachsene und Händler reagieren sensibler auf das Thema jugendlicher Alkoholkonsum. Bild: ap

Übermäßiger Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen geht in Berlin laut Senat seit drei Jahren zurück. Die Zahl der unter 18-Jährigen, die vergangenes Jahr betrunken von der Polizei aufgegriffen wurden, ist gegenüber 2009 um mehr als ein Drittel gesunken. Dagegen wurden fünf Prozent mehr junge Menschen wegen einer Alkoholvergiftung stationär behandelt. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine kleine Anfrage des SPD-Abgeordneten Joschka Langenbrinck hervor.

2007 war ein 16-jähriger Berliner Schüler gestorben, nachdem ein Wirt ihm 48 Gläser Tequila ausgeschenkt hatte. Der Fall hatte eine Diskussion um das „Komasaufen“ von Jugendlichen ausgelöst. Der Wirt wurde zu drei Jahren und fünf Monaten Haft verurteilt. Der Senat hatte daraufhin Präventionsprogramme gestartet.

Auf diese Programme führt Emine Demirbüken-Wegner (CDU) von der Senatsverwaltung für Gesundheit nun auch den Rückgang der Zahlen zurück. Zu den Programmen, die Jugendlichen in Schulen einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol zeigen wollen, gehörten etwa die Kampagnen „Na klar“ und „Nüchtern betrachtet“. 2009 hatte die Polizei noch 2.058 Kinder und Jugendliche in betrunkenem Zustand aufgegriffen, vergangenes Jahr waren es nur noch 1.299.

Auch das Verantwortungsgefühl der Erwachsenen habe zugenommen, so Demirbüken-Wegner. So vermute man, dass Jugendliche heute mit einem geringeren Promille-Wert ins Krankenhaus gebracht würden. Dies würde auch die gestiegenen Zahlen bei den Einlieferungen von Jugendlichen erklären. Die Zahl der BerlinerInnen unter 20, die wegen einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus behandelt wurden, ist hingegen leicht gestiegen: von 402 im Jahr 2009 auf 412 Fälle im Jahr 2010. Die Zahlen für vergangenes Jahr liegen laut Senat noch nicht vor.

Auch Kerstin Jüngling, Leiterin der Fachstelle für Suchtprävention im Land Berlin, sieht positive Effekte der Präventionsmaßnahmen. Ob sich das Trinken mehr aus dem öffentlichen Raum in den privaten Raum verlagert habe, lasse sich nicht sagen, so Jüngling – dazu gebe es keine Zahlen. Jüngling ist jedoch optimistisch, dass tatsächlich weniger getrunken würde.

Der Todesfall des 16-jährigen Lukas W. aufgrund einer Alkoholvergiftung 2007 habe durchaus zu einer Sensibilisierung für das Thema geführt: „Auch an Supermarktkassen wird heute strenger kontrolliert, ob sich Jugendliche Alkohol kaufen“, so Jüngling. Die Zahlen Jugendlicher, die übermäßig trinken, seien jedoch immer noch zu hoch. „Man darf nicht vergessen, dass immer noch jährlich Hunderte Jugendliche ein solches Hochrisiko-Verhalten an den Tag legen.“

Auffällig ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern. So mussten in der Altersgruppe der 10- bis 15-Jährigen vergangenes Jahr mit 67 zu 30 Fällen nahezu doppelt so viele Mädchen wie Jungen behandelt werden. Im Vorjahr lagen die Werte für Mädchen und Jungen noch ungefähr gleich. Bei den 15- bis 20-Jährigen waren mit 252 Fällen junge Männer fast doppelt so häufig betroffen wie Frauen – bei ihnen gab es 125 Fälle. Bei den 10- bis 15-Jährigen kamen die meisten Betroffenen aus den Ostbezirken Treptow-Köpenick und Lichtenberg, bei den Älteren lag Spandau vorn. Die Unterschiede könnten darin liegen, dass man Mädchen schneller ins Krankenhaus bringen würde als Jungen, sagte Jüngling.

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