Menschenrechte: Irres Gesetz

Das Psychisch-Kranken-Gesetz soll reformiert im Lichte der UN-Behindertenrechtskonvention , das hat die Bürgerschaft beschlossen. Wie, ist offen.

Nie wieder raus: Patient in Forensischer Psychatrie in Bremen-Ost. Bild: Ingo Wagner/dpa

Wenn man einen Menschen bedroht, so kommt man womöglich für ein paar Stunden in Polizei-Gewahrsam. Hat man dazu allerdings eine psychische Krankheits-Diagnose, so kann man nach dem „Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten“ (PsychKG) zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen werden – und bleibt dort in der Regel einige Wochen. 2011 kam das in der Stadt Bremen 856 Mal vor. Ob dies aber nach der UN-Behindertenrechtskonvention nicht eine Diskriminierung ist, das soll nun überprüft werden, beschloss die Bürgerschaft am Donnerstag – und zwar einstimmig.

„Dass die Behindertenrechtskonvention beim PsychKG überhaupt einschlägig ist, liegt an ihrem Begriff von Behinderung“, so der Bremer Rechtswissenschaftler Helmut Pollähne. Die Konvention wurde 2006 von den Vereinten Nationen verabschiedet und gilt in Deutschland seit 2009. „Der neue Ansatz ist, dass Menschen wegen einer Beeinträchtigung von der Gesellschaft behindert werden und nicht umgekehrt.“ Ausdrücklich umfasst dies auch längerfristig psychisch Kranke.

Für deren Zwangseinweisung aber ist die Diagnose ausschlaggebend – im Sinne der Konvention eine Diskriminierung, sagen KritikerInnen wie Matthias Seibt vom Bundesverband der Psychiatrie-Erfahrenen. Er fordert die komplette Abschaffung der „Sondergesetze“. Dem folgte der Antrag von Grünen und SPD nicht ganz. Das PsychKG aber soll ob eines „Novellierungsbedarfes“ überprüft werden, hinsichtlich strengerer Vorschriften bei Zwangs-Medikation und höheren Schutzes der Privatsphäre.

„Es ist nicht selbstverständlich, dass die Rechte psychisch Kranker debattiert werden“, sagte Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) am Donnerstag. Noch vor ein paar Monaten waren auch die Koalitionspartner von der SPD noch anderer Ansicht. „Das PsychKG muss nicht geändert werden“, sagte etwa der SPD-Fraktionsvorsitzende Björn Tschöpe im April 2011 anlässlich einer Debatte um die UN-Konvention zur taz. Auch damals schon tauchte das PsychKG immer wieder auf und galt als „heißes Eisen“. Denn es geht bei dem Gesetz eben nur zum Teil um Hilfen für psychisch Kranke, sondern noch mehr um den Schutz der Allgemeinheit – und die Befugnis für Behörden, psychisch Kranke bei einer angenommenen Fremd- oder Selbstgefährdung gegen ihren Willen einzuweisen, Medikamente zu verabreichen oder zu fixieren. „Es gibt die weit verbreitete Vorstellung, alle psychisch Kranken seien gefährlich“, so der Jurist Pollähne. „Das hat eine lange Geschichte und ist auch Grundlage des PsychKG.“ Historisch sei es „ein polizeirechtliches Instrument“. Und ohne dieses Instrument, so die Angst, würden auf einmal „gefährliche Irre“ frei herumlaufen.

Knapp blieben denn auch die Debattenbeiträge in der Bürgerschaft, doch die Positionen haben sich bewegt. Wohl auch, weil es 2011 zwei Urteile des Bundesverfassungsgerichts gab: Auf Grundlage der Konvention stuften diese die Zwangsbehandlung von psychisch Kranken in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg als verfassungswidrig ein.

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