Menstruations-Tabu in Uganda: Blutiger Kampf um Emanzipation

Die ugandische Feministin Stella Nyanzi forderte vom Staat die versprochenen kostenlosen Binden für Schulmädchen ein. Jetzt sitzt sie im Knast.

Zwei Mädchen halten rosa- und pinkfarbene Binden hoch, die sie soeben genäht haben

Weil ihnen vor lauter Verklemmtheit niemand hilft, nähen sich Mädchen in Uganda ihre Binden selbst Foto: Simone Schlindwein/taz

KAMPALA taz | Mit Zickzackstichen näht Catherine Nantume die pinken Stoffe zusammen. Die Nähmaschine quietscht sobald sie das Pedal bedient. Als sie fertig ist, lächelt die 15-jährige Schülerin stolz: „Das ist jetzt eine wiederverwendbare Damenbinde“, sagt sie und präsentiert die ovale Einlage aus Frottee. Sie zeigt auf die Druckknöpfe, die sie auf den beiden Flügeln befestigt hat: „Damit kann man sie um die Unterhose wickeln und befestigen, damit sie nicht verrutscht“, erklärt sie und lächelt verschmitzt.

Das Mädchen im weißen Kleid sitzt mit ihren Mitschülerinnen in einem heruntergekommenen Klassenzimmer aus Holzlatten in einem Armenviertel der Hauptstadt Kampala. Vier Nähmaschinen sind auf den Tischen aufgebockt. Rosa und pinke Stofffetzen liegen daneben, Baumwolle flattert umher. Rund ein Dutzend Mädchen hantiert mit Scheren und Schnittvorlagen.

Die Bastelstunden am Nachmittag sind für die meisten Mädchen der CARE-Grundschule das Highlight des Tages. Denn die meisten Schülerinnen trauen sich nicht zum Unterricht, wenn sie ihre Tage haben. Auch Catherine saß eine Woche im Monat zu Hause, erzählt sie. Sie wirkt überhaupt nicht schüchtern, wenn sie darüber redet. „Meine Eltern können sich keine Binden leisten“, berichtet sie. „Doch ich traute mich dann nie zur Schule, weil ich Angst hatte, dass meine Uniform blutig wird.“ Seit sie ihre Binden selber bastelt, wagt sie sich auch an kritischen Tagen zum Unterricht.

Menstruation – in Ugandas konservativer Kultur ist das ein absolutes Tabuthema. Sobald Mädchen in die Pubertät kommen, werden sie von der Tante zur Seite genommen und bekommen Stofffetzen in die Hand gedrückt, die sie sich in die Unterwäsche stopfen sollen. Der Ratschlag: Versteck dich bis es vorbei ist. In vielen Dörfern dürfen Frauen während ihrer Tage kein Essen kochen. Sie gelten als unrein.

Die Binden sind zum Politikum geworden

Jetzt sorgt ausgerechnet die Monatsblutung in der öffentlichen Debatte für Furore. Ugandas führende Feministin und Doktorin für Gender-Studien an der staatlichen Makerere Universität, Stella Nyanzi, wurde vergangene Woche verhaftet. Unter dem Schlagwort #Pads4GirlsUG hatte sie über die sozialen Netzwerke und per mobilem Geldtransfer Spenden gesammelt, um Binden an Schulen zu verteilen. Dabei hat sie sich mit dem Regime angelegt.

Wegen „Cyber-Belästigung“ und Unruhestiftung wurde sie am Montag angeklagt. Sie habe gegen das Gesetz des Computermissbrauches verstoßen, so die Vorwürfe des Staatsanwalts. Die Anhörung wurde auf Ende April angesetzt, bis dahin muss sie in Haft bleiben. Die Binden sind zum Politikum geworden.

Stella Nyanzi, Feministin

„Wir haben jetzt jede Menge Vaginas im Parlament sitzen, aber sie müssen auch beweisen, dass sie ein Gehirn dazu haben“

Die Vorgeschichte: Ugandas Präsident Yoweri Museveni hatte in seiner Wahlkampagne vergangenes Jahr versprochen, kostenlose Binden an den Schulen zu verteilen. Schon als der mittlerweile 72-Jährige als junger Freiheitskämpfer mit der Waffe in der Hand das Land eroberte, hatte er die Gleichberechtigung von Frauen auf die Fahnen geschrieben. Mit seinem Wahlversprechen hat er 2016 viele Stimmen gesammelt, vor allem bei Müttern.

Nach der wiedergewonnenen Wahl ernannte Museveni seine Frau Janet zur Bildungsministerin. Da war die Hoffnung groß. „Mama Janet“ wird sie landauf landab genannt. Sie hat angekündigt, den Bildungssektor reformieren zu wollen, um mit dem enormen Bevölkerungswachstum Schritt zu halten. Doch sie musste schnell feststellen: Es mangelt an Geld im Staatshaushalt. Dies hat Stella Nyanzi auf die Barrikaden gebracht.

Den Konservativen die Brust bieten

Die Doktorin hat über Sexualität von Frauen in Afrika und geschlechterspezifische Machtpolitik promoviert und steht der Opposition nahe. Sie provoziert gerne. Im vergangenen Jahr machte sie Schlagzeilen, als sie bei einem Unistreik ihre nackten Brüste in die TV-Kameras streckte. In diesem erzkonservativen Land, in dem laut Gesetz der Rock bis übers Knie reichen muss, ist das fast ein Verbrechen.

Nyanzi sitzt an einem Nachmittag im März in einem Gartenrestaurant in Kampalas Innenstadt. Neben ihr: ihre Schwester und Anwältin sowie drei Mitstreiterinnen ihrer Kampagne. Sie fürchtete bereits damals, verhaftet zu werden. Die Polizei hatte sie schon verhört – wegen öffentlicher Beleidigung des Präsidenten. Am Flughafen sei ihr die Ausreise verweigert worden, als sie nach Europa fliegen wollte. Ihre Schwester sei von bewaffneten Männern in Uniform verfolgt worden. Diese seien in ihr Haus eingebrochen, hätten die Kinder terrorisiert. Kurz darauf, nach einem Vortrag, verschwand Nyanzi spurlos. Erst drei Tage später bestätigte die Polizei ihre Verhaftung. Das Regime zeigt seine Zähne.

„Die Emanzipation der Frauen in Uganda ist eine totale Fassade“, wetterte Nyanzi an jenem Nachmittag im Gartenrestaurant. Sie bezog sich dabei auf die in der Verfassung festgelegte Frauenquote von 30 Prozent der Abgeordneten: „Wir haben jetzt jede Menge Vaginas im Parlament sitzen, aber sie müssen auch beweisen, dass sie ein Gehirn dazu haben“, schimpfte sie.

Die jüngste Evaluation der landesweiten Schulexamen hätte klar ergeben, dass die armen Mädchen auf dem Land schlechter abschneiden als die Jungen, weil sie monatlich den Unterricht versäumen. „Biologie ist Politik – Machtpolitik“, so Nyanzi. Janet Museveni sei nur Bildungsministerin geworden, „weil sie mit dem Präsidenten ins Bett geht.“ Dies sei ein klarer Beweis für den Nepotismus, der in Ugandas Politik vorherrsche. Sie habe die Schnauze voll, dass das Museveni-Regime stetig Versprechen mache, die dann nicht eingehalten würden, sagte sie. Den Präsidenten und dessen Frau bezeichnete sie auf Facebook als „ein Paar Arschbacken“. Dieser Kommentar wurde ihr in der Anklage vor Gericht zum Verhängnis.

Keine Lust auf falsche Vergebung

Stetig klingelt während des Interviews im März eines ihrer drei Handys, Geldbeträge gehen ein. Manche schicken nur rund einen Euro. Doch immerhin: mehr als 3.000 Euro umgerechnet hatte sie bereits zusammen, über eine Million Binden hatte sie an Schulen verteilt. Jedes Mal, wenn Nyanzi in ihren knallbunten Kleidern einen Pausenhof betrat, jubelten die Mädchen. Stets mit TV-Teams und Journalisten im Schlepptau, sie machte Schlagzeilen.

Auch Bildungsministerin Museveni trat jüngst vor die Kameras, präsentierte sich von ihrer religiösen Seite: „Ich vergebe dieser Frau ehrlich, denn ich verstehe nicht, wie eine Akademikerin eine solche Sprache verwenden kann“. Sie wisse nicht, was sie falsch gemacht habe, dass sie so beschimpft werde, beteuerte sie.

Nyanzis Antwort kam prompt via Facebook. Sie lehnte die Vergebung ab: „Bevor ich ihr die Füße küsse, würde ich eher ihre Klitoris küssen“, schrieb sie – eine klare Kampfansage an die mächtigste Frau im Land. Einen Tag später flog Nyanzi von der Uni. Der Kampf um die Damenbinden zeigte, wie sehr die Meinungsfreiheit in Uganda eingeschränkt wird.

Unterdessen gibt es neue Crowdfundingkampagnen für Binden – wie an der CARE-Grundschule im Armenviertel. Inmitten des geschäftigen Treibens im Bastelunterricht steht Sadat Nduhira und gibt Anweisungen. Der 27-jährige Künstler ist selbst in dem Slum aufgewachsen, seine Schwestern versäumten monatlich ein paar Tage die Schule, wenn ihre Periode einsetzte. Als Künstler hat er viel mit Stoffen hantiert: Frottee, Baumwolle. Da kam ihm die Idee mit den Binden aus saugfähigem aber waschbarem Material. Er gründete eine NGO, sammelte Spenden und wandte sich an die Grundschule in seiner Nachbarschaft.

Künstler Nduhira hält die Binde hoch, die Catherine Nantume eben mit der Nähmaschine fertiggestellt hat: „Wisst ihr denn, wie ihr sie hygienisch sauber kriegt?“, fragt er in die Runde. Catherine nickt. Sie ist die Älteste in der Gruppe, hat schon seit einigen Jahren ihre Periode. „Nach dem Waschen und Trocknen muss man sie heiß bügeln, damit die Bakterien sterben“, erklärt sie und klemmt erneut Stofffetzen in die Nähmaschine.

Stella Nyanzi

„Ich finde, es ist eigentlich Aufgabe der Eltern, die Mädchen auszustatten, doch die Armut lässt das nicht zu“

Schulleiterin Sarah Nakabira steckt den Kopf ins Klassenzimmer und lächelt zufrieden. Die Muslimin mit dem bunten Kopftuch war einst Lehrerin an einer staatlichen Schule. Vor wenigen Jahren eröffnete sie in diesem Armenviertel eine eigene Grundschule. Auch Waisenkinder, die gar nichts zahlen können, hat sie aufgenommen. Chancengleichheit sei wichtig, betont Nakabira. Deswegen habe sie Nduhiras Idee mit den Bastelstunden sofort umgesetzt. „Dieses Projekt hat uns sehr geholfen“, sagt sie und betritt ihr kleines Büro neben den Klassenzimmern.

Bis unter die Decke reichen die Regale, auf denen sich die in Afrika typisch bunten Papierordner stapeln: rosa für die Mädchen, blau für die Jungs. Die rosa Ordner sind in der Überzahl. Von den 315 Grundschülern seien rund 250 Mädchen, sagt sie. „Bei vielen setzt die Menstruation bereits mit acht oder neun Jahren ein, dann kommen sie ein paar Tage pro Monat nicht zum Unterricht.“ Seitdem sie die Binden selbst herstellen, habe dies deutlich nachgelassen, sagt Nakabira.

Über Nyanzi und deren Streit mit der Regierung will sie lieber nicht sprechen. Wenn es um die „First Family“ geht, traut sich kaum jemand mehr, Kritik zu erheben. „Ich finde, es ist eigentlich Aufgabe der Eltern, die Mädchen auszustatten, doch die Armut lässt das nicht zu“, sagt sie. Als dann die Bildungsministerin das Versprechen ihres Mannes brach, „habe ich entschieden, wir müssen uns als Schule diesem Problem annehmen“.

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