Merkel für Juncker und gegen Cameron: Kein „nationaler Kuhhandel“

Die Kanzlerin will nun doch Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionschef unterstützen – notfalls auch gegen den Widerstand Großbritanniens. Das freut die SPD.

Wieder auf Kuschelkurs: Bundeskanzlerin Merkel und EVP-Spitzenkandidat Juncker Bild: dpa

BERLIN rtr | Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Bereitschaft signalisiert, den konservativen EVP-Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker notfalls auch gegen den Willen des britischen Premierministers David Cameron als EU-Kommissionschef durchzusetzen. „Ich arbeite in all den Gesprächen dafür, dass Jean-Claude Juncker die notwendige Mehrheit im Rat bekommt, um nächster Kommissionspräsident werden zu können“, sagte Merkel am Montag in Berlin.

Sie verwies auf die dafür nötige qualifizierte Mehrheit. Dies würde bedeuten, dass Juncker gegen den Widerstand Großbritanniens ernannt werden könnte. Die SPD warnte die EU-Staaten, sich von Cameron erpressen zu lassen, der im EU-Rat der Staats- und Regierungschefs eine Sperrminorität gegen Juncker zu organisieren versucht. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte, sie sei froh, dass Merkel auf Druck der SPD hin beigedreht habe und Juncker als Kommissionspräsidenten unterstützen werde.

Alles andere wäre dem Wählervotum vom 25. Mai nicht gerecht geworden. Juncker müsse nun die Möglichkeit haben, die Stimmenmehrheit im Parlament umzusetzen. Auch Cameron werde daran nichts ändern können. Das Votum von 400 Millionen Europäern dürfe nicht ignoriert werden. „Die Wahl darf jetzt nicht zu einem nationalen Kuhhandel verkommen.“ Gegen den britischen Regierungschef fuhr die SPD-Generalsekretärin scharfe Geschütze auf.

„Es ist inakzeptabel, in welcher Art und Weise er sich hier ein Vetorecht ausspricht“, sagte Fahimi. „Cameron wäre gut beraten, wenn er Schwierigkeiten in seinem eigenen Land nicht so interpretieren würde, dass er hier zu einem Schmusekurs der Anti-Europäer in seinem Land wechselt.“ Merkel hatte sich bereits am Freitag auf dem Katholikentag in Regensburg nach anfänglichem Zögern für Juncker ausgesprochen.

Warnung vor dem EU-Austritt

Am Wochenende sorgte dann ein Spiegel-Bericht für Aufsehen, wonach Cameron wegen des Streits über die Spitzenpersonalie vor einem EU-Austritt seines Landes gewarnt habe. Die Äußerungen Camerons sollen am Rande des EU-Gipfels am Dienstag gefallen sein. Das Magazin berichtete, Anwesende hätten Cameron so verstanden, dass eine Niederlage in der Personalfrage seine Regierung derart destabilisieren könnte, dass eine Volksbefragung vorgezogen werden müsse und sehr wahrscheinlich mit einem „Nein“ der Briten zur EU enden würde.

Merkel unterstrich, es sei ihr nicht egal, „ob Großbritannien Mitglied der EU ist oder nicht“. Luxemburgs Ex-Regierungschef Juncker gilt als Verfechter einer stärkeren Integration der Gemeinschaft, was der europaskeptische Cameron ablehnt. Bedenken gegen den langjährigen Eurogruppen-Chef gibt es aber auch aus Ungarn, Schweden und den Niederlanden.

Auch für den italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi ist die Wahl Junckers kein Automatismus. Zwar betonte er am Wochenende, Italien habe „kein Juncker-Problem“. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung und anderen europäischen Blättern machte er seine Zustimmung allerdings von einer Änderung der Wirtschafts- und Währungspolitik abhängig. Die reine Sparpolitik müsse überwunden werden.

Fahimi sieht darin nach eigenen Worten keinen Widerspruch innerhalb der europäischen Sozialdemokratie. Auch für die SPD gelte, dass mit der Person Juncker ein bestimmtes Programm verbunden sein müsse, welches von der sozialdemokratischen Fraktion unterschrieben werden könne. Hierzu gehöre, dass Banken an die Leine gelegt, Steueroasen ausgetrocknet und soziale Programme insbesondere zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit aufgelegt würden.

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