Merkels Afrikareise: Erweiterte Nachbarschaft

Angela Merkel reist für drei Tage in afrikanische Transitländer für Flüchtlinge. Aus den Motiven macht sie kein Geheimnis: deutsche und EU-Interessen.

Flüchtlinge aus Somalia und Eritrea sitzen mit Rettungswesten in einem Boot

Flüchtlinge aus Mali und anderen Ländern brechen von Libyen aus ins Mittelmeer auf Foto: ap

BERLIN taz | „Das Wohl Afrikas liegt im deutschen Interesse.“ Das sagt nicht die Vertreterin einer Entwicklungshilfe-NGO, sondern Angela Merkel. Um ihre dreitägige Afrika-Reise vorab politisch einzuordnen, hat die Kanzlerin der Zeit ein langes Interview gegeben. Europa, betont sie darin, sei der unmittelbare Nachbarkontinent von Afrika.

Am Sonntag bricht Merkel auf, um eben diesen Nachbarn zu besuchen. Ihre Reise führt sie nach Mali, Niger und Äthiopien. Dort will sie in Addis Abeba den Premierminister sowie Vertreter der Afrikanischen Union treffen; außerdem zivilgesellschaftliche und oppositionelle Vertreter. Mit Mali und Niger wiederum strebt die Europäische Union sogenannte Migrationspartnerschaften an. Deren Ziel ist es, die Fluchtbewegung nach Europa einzudämmen.

Mit ihrer Reise setzt Merkel einen neuen Akzent in der Außenpolitik. Auf die Zeit-Frage, warum das krisengebeutelte Europa sich zusätzlich um die Probleme afrikanischer Staaten kümmern solle, gibt Merkel eine pragmatische Antwort. „Die Menschen kommen ja nach Europa. Ich glaube nicht daran, dass wir dieses Problem durch maximales Ignorieren, durch Distanz und Abschottung wieder verschwinden lassen können.“ Schließlich: „Ich bin Realistin, und das ist eine Realität.“

Wie die Migrationspartnerschaften konkret aussehen sollen, ist noch unklar. Erst im August hatte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) Niger besucht. Damals hat er sich für eine Kooperation mit afrikanischen Ländern bei der Eindämmung der Fluchtbewegung ausgesprochen. Vor allem plädierte er dafür, Menschen vor Ort Perspektiven zu schaffen, um sie von der Flucht abzuhalten.

EU-Türkei-Deal als Vorbild

Als Blaupause für mögliche Verträge soll offenbar der Flüchtlingspakt mit der Türkei dienen. Dieser sieht vor, dass die EU Geld gibt für Flüchtlinge vor Ort, die an der Weiterreise gehindert werden. Zudem werden Schlepper bekämpft. Seit dem Inkrafttreten ist die Zahl der Neuankömmlinge in der Ägäis zwar deutlich gesunken, stattdessen kommen nun mehr Flüchtlinge über Ägypten und Libyen. Mit Mali und Niger bereist die Kanzlerin zwei wichtige Transitländer auf dem Weg Richtung Mittelmeerküste und von dort nach Europa.

Niger steht beispielhaft für die Pläne der Europäischen Union, Flüchtlinge bereits früh auf ihrem Weg nach Europa zu stoppen. „Niger liegt auf der Hauptroute der Migranten, die dann schlussendlich in Libyen ankommen“, sagte Merkel bei einem Besuch des Präsidenten von Niger, Mahamadou Issoufou, im Juni in Berlin. Rund 150.000 Menschen durchqueren das Land jährlich Richtung Norden.

Die Europäische Union hat daher in der Wüstenstadt Agadez in der Landesmitte ein Aufnahmezentrum eingerichtet, um Flüchtlinge schon dort von der Rückkehr in ihre Heimatstaaten zu überzeugen. Für viele Kritiker ist dieses Vorgehen der Inbegriff einer Abschottungspolitik, die auf instabile Staaten setzt und im Zweifel Menschenrechte außer Acht lässt.

Aus ihrem Kalkül machte die Kanzlerin denn auch keinen Hehl. Der Zeit sagte sie: „Ich handele nicht aus Mitleid, sondern aus meinen eigenen, aus unseren gemeinsamen Werten und Interessen heraus.“

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