Merkels Besuch in Polen: Eine schwierige Annäherung

Die Bundeskanzlerin versucht, die Gespräche zwischen Polen, Frankreich und Deutschland wiederzubeleben. Kritische Themen spart sie weitgehend aus.

Angela Merkel und Andrzej Duda stehen nebeneinander

Angela Merkel und Andrzej Duda bei ihrem Treffen in Warschau Foto: ap

WARSCHAU taz | Während Frankreich bei der Reform der EU aufs Tempo drückt, verhält sich Polen eher zurückhaltend. Bundeskanzlerin Angela Merkel, der das große gemeinsame Projekt am Herzen liegt, traf sich am Montag in Warschau mit Polens Premier Mateusz Morawiecki und Präsident Duda, um sich deren Vorschläge für eine EU-Reform anzuhören.

Wenige Tage zuvor, kurz nach ihrer erneuten Vereidigung, hatte sie bereits den französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Paris besucht. Frankreich, Polen und Deutschland stehen vor der Herausforderung, die schwierigsten Probleme der EU zu lösen. Wenn sich die Politiker in Paris, Warschau und Berlin auf einen Kompromiss einigen können, ist das zwar noch keine Garantie, dass die anderen EU-Mitglieder diese Lösung ohne weiteres übernehmen, doch der deutsch-französisch-polnische Kompromiss ist in jedem Fall wegweisend.

Ohne Dialog kann es allerdings keine Lösung geben. Das Gesprächsforum „Weimarer-Dreieck“, das die Außenminister Hans-Dietrich Genscher, Roland Dumas und Kryszysztof Skubiszewski bereits 1991 mit einer „gemeinsamen Erklärung zur Zukunft Europas“ ins Leben riefen, liegt auf Eis. Polen und Franzosen reden nicht mehr miteinander, seit die PiS-Regierung 2016 die noch von der Vorgängerregierung begonnenen Verhandlungen zum Kauf von 50 Caracal-Militärtransport-Hubschraubern platzen ließ und die Schuld dafür allein den Franzosen in die Schuhe schob. Zum finanziellen Verlust kam für die Franzosen noch Hohn und Spott aus Warschau dazu. Denn die Absage französischer Staatsbesuche in Polen sowie die Empörung in den französischen Medien konterte Polens Vize-Verteidigungsminister Bartosz Kownacki mit einer absurd klingenden Beleidigung, die die kulturbewussten Franzosen besonders treffen musste: „Das sind Leute, die von uns lernten, mit der Gabel zu essen. Vielleicht benehmen sie sich deshalb so.“

„Weimarer Dreieck“

Nun also sollen Franzosen und Polen wieder an einen Tisch kommen und über die Zukunft der EU beraten. Schon der neue deutsche Außenminister Heiko Maas hatte bei seinen Antrittsbesuchen in Paris und Warschau drauf gedrängt, das deutsch-polnisch-französische „Weimarer Dreieck“ wiederzubeleben. Ob allerdings die Franzosen mit der ausgebliebenen Entschuldigung leben können, oder aber die Polen sich doch überwinden, einen Teil der Schuld für den geplatzten Milliardendeal auf sich zu nehmen, ist noch offen. In Polen jedenfalls haben sowohl Außenminister Czaputowicz, als auch Premier Morawiecki und Präsident Duda ihre Bereitschaft erklärt, das politische Dreier-Treffen wiederbeleben zu wollen.

Auf der gemeinsamen Pressekonferenz sparten Merkel und Morawiecki die kritischen Punkte weitgehend aus. So wurde weder die angeblich so gefährliche zweite Röhre der Nord-Stream-Pipeline durch die Ostsee angesprochen, noch die angeblich von Deutschland nie geleisteten (oder aber viel zu niedrigen) Kriegsreparationen oder aber – auf der anderen Seite – das Rechtsstaatsverfahren der Europäischen Kommission gegen Polens PiS-Regierung. Ausgespart wurde auch der Denunziationsaufruf des polnischen Senats an die im Ausland lebenden Polen, die alle „antipolnischen Äußerungen“ ihrer Nachbarn an Konsulate und Botschaften melden sollen, so dass gegebenenfalls Klage wegen Beleidigung oder übler Nachrede erhoben werden kann.

Merkel ging bei der Betonung gemeinsamer Interessen sogar noch einen Schritt weiter und erkannte ausdrücklich an, dass Polen „ebenfalls Flüchtlinge aufnimmt, wenn auch mit Tschetschenen und Ukrainern andere Flüchtlinge“ als die anderen EU-Staaten. Dieser Satz ist insofern ungewöhnlich, als die rund eineinhalb Millionen Ukrainer in Polen zumeist Arbeitsmigranten sind und in Polen Steuern bezahlen. Da sie zumeist aus der Westukraine stammen, nicht aber aus dem russisch-ukrainischen Kriegsgebiet im Osten, sprechen die meisten auch Polnisch und haben somit kaum Integrationsprobleme. Es gibt also auch ganz offiziell in Polen fast keine „Flüchtlinge“ oder Asylbewerber aus der Ukraine. Bei den Tschetschenen sieht die Situation etwas anders aus, doch sie werden von Polen meist nach Russland zurückgeschickt.

Polens PiS-Regierung weigert sich, den von der Vorgängerregierung unterzeichneten EU-Vertrag zur Aufnahme von rund 7.000 Flüchtlingen aus Syrien zu erfüllen

Polens PiS-Regierung weigert sich, den von der Vorgängerregierung unterzeichneten EU-Vertrag zur Aufnahme von rund 7.000 Flüchtlingen aus Syrien zu erfüllen und beruft sich dabei auf die Sicherheitsinteressen und die „innere Souveränität“ des Landes. Wie die EU mit dem Vertragsbruch umgeht, hat Brüssel noch immer nicht entschieden. Immerhin stimmte Premier Morawiecki aber dem Projekt einer gemeinsamen Asylpolitik der EU zu.

Aus polnischer Sicht am wichtigsten war Merkels Zusicherung, sich bei den anstehenden EU-Budget-Verhandlungen für die Interessen Polens einzusetzen. Wörtlich sagte die Bundeskanzlerin: „Beim Aufstellen des Finanzrahmens wollen wir Länder wie Polen stärken, die diese Mittel sehr effizient einsetzen.“

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