Migrationsgipfel in Marrakesch: Europas Rechte hetzen gegen Pakt

Vor dem globalen Migrationsgipfel machen Rechte in verschiedenen EU-Ländern gegen den Migrationspakt mobil. Sie folgen dem Vorbild aus Ungarn.

Mitglieder der Meißner AfD stehen während der Landtagssitzung vor dem Landtag und halten einen Banner mit der Aufschrift «Migrationspakt stoppen!»

Eigentlich eine Minderheit, aber sie brüllen ziemlich laut: rechte Migrationspaktgegner Foto: dpa

BERLIN taz | Die Bundesregierung soll wegbleiben, die AfD aber will teilnehmen: Am Donnerstag kündigten ihre bayrischen Bundestagsabgeordneten Johannes Huber und Martin Hebner an, nach Marokko zu reisen. Dort wollen die UN in wenigen Tagen den „Globalen Pakt für sichere, geordnete und geregelte Migration“ verabschieden.

Huber und Hebner sitzen im Petitionsausschuss des Bundestags und machen mit Petitionen Stimmung gegen den Migra­tionspakt. Der öffne schrankenloser Migration Tür und Tor und sei am Bundestag vorbei verhandelt worden – „ein Unding“, schimpfte Hebner am Donnerstag. Nach Marokko wollen die beiden nun „das Anliegen der Bürger“ transportieren – und das laute: Deutschland solle dem Pakt nicht zustimmen.

Tatsächlich sind sich Fachleute und Bundesregierung einig, dass der Pakt keineswegs schrankenlose Migration ermöglicht. Vor allem aber hatten die UN die Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages im März nach New York eingeladen. Dort sollten die Abgeordneten über den Stand der Verhandlungen informiert werden und ihre Einwände äußern können.

Der Linken-Abgeordnete Stefan Liebich wies in der vergangenen Woche darauf hin, dass die AfD es nicht nur für überflüssig hielt, die Einladung anzunehmen. Ausschuss-Obmann Peter Bystron habe sogar den Antrag abgelehnt, den die Linken-Abgeordnete Sevim Dağdelen gestellt hatte, um nach New York zu fahren. „Ich sehe keinen Nutzen für den Auswärtigen Ausschuss in dieser Reise“, habe es in der Ablehnung geheißen, so zitierte Liebich im Bundestag Bystrons Mail.

Teil einer europaweiten Kampagne

Die AfD-Anwürfe sind Teil einer europaweiten Kampagne. Am Donnerstag berichtete die Welt, wie Rechtsextreme gemeinsam mit der AfD seit dem Sommer eine beispiellose Onlinekampagne gegen den Pakt betrieben haben. In Deutschland und Österreich hatte diese dazu geführt, dass die Verwendung von Hashtags wie „#migrationspaktstoppen“ geradezu explodierte. Das zeigte Wirkung.

Polens Ministerpräsident Morawiecki

„Unsere souveränen Prinzipien haben absolute Priorität“

Österreichs Kanzler Sebastian Kurz hatte bei einer Vollversammlung der UN in New York am 20. September 2017 noch gesagt, er „begrüße es, dass die Vereinten Nationen einen Globalen Pakt für Migration und einen Flüchtlingspakt entwickeln“. Nachdem die ungarische sich als erste europäische Regierung im Juli 2018 aus dem Pakt verabschiedete, machten zunächst weder Kurz noch sein Koalitions­partner FPÖ Anstalten, nachzuziehen. Mitte September dann startete Martin Sellner, der Anführer der Identitären Bewegung in Österreich, eine Onlinekampagne gegen den Pakt. Zwei Tage später warnte der FPÖ-Vizekanzler Heinz Strache plötzlich vor „fatalen Folgen“ des Paktes. Fünf Kampagnen-Wochen später stand fest: Österreich unterschreibt ihn nicht.

Diese Haltung zeigte sich auch in Polen. Das Land hatte an den im Juli 2018 beendeten Verhandlungen zum Pakt teilgenommen. Nachdem dann im Herbst die Kampagnen gegen den Pakt an Fahrt aufgenommen hatten, änderte sich der Kurs. Bei den deutsch-polnischen Regierungsberatungen mit Kanzlerin Angela Merkel kündigte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki an, den Pakt abzulehnen: „Wir sind der Ansicht, dass unsere souveränen Prinzipien absolute Priorität haben.“

Doch diesen Sinneswandel hatten nicht einmal alle Mitglieder der nationalkonservativen PiS („Recht und Gerechtigkeit“) mitgetragen. Denn tatsächlich ist Polen auf Zuwanderung angewiesen: Das Land muss sich seit einiger Zeit darauf einstellen, dass viele Ukrainer mittlerweile lieber nach Westeuropa ziehen, als in Polen zu arbeiten. „Die Zahl der Einwanderer in unser Land muss steigen, um das Wirtschaftswachstum aufrechtzuerhalten“, sagte deshalb der stellvertretende Entwicklungsminister Paweł Chorąży in Warschau – kurz bevor die Regierung ihren Kurs in Sachen Migrationspakt änderte. Es sei „billiger, Migranten zu holen als polnischstämmige Spätaussiedler aus Kasachstan“. Chorąży musste seinen Rückritt einreichen.

Global gesehen sind die Kritiker in der Minderheit

Auch in Italien hatte die im Frühjahr gewählte Rechtsregierung zunächst nichts weiter an dem Pakt auszusetzen gehabt, den ihre Vorgänger mit verhandelt hatten. „Wir sind zuversichtlich, dass der Global Compact ein nützliches Instrument sein wird,“, sagte Außen-Staatssekretär Manlio Di Stefano von der Cinque-Stelle-Bewegung. Der Pakt werde helfen, die „Steuerung der Migrationsströme“ zu verbessern.

Dann startete die rechtsextreme Fratelli-d’Italia-Partei eine Kampagne und sammelte Unterschriften gegen den Pakt. Sie behauptete dabei, dieser sei von dem jüdischen Investor George Soros mit initiiert worden und solle eine „Invasion“ in Italien herbeiführen. Lega-Innenminister Matteo Salvini entdeckte das Thema und behauptete, der Pakt würde „Flüchtlinge und Wirtschaftsmigranten“ gleichstellen. Italien werde nicht unterschreiben, beschied er. Die Cinque-Stelle-Bewegung allerdings zögerte. Schließlich erklärte Italiens Regierung, an der Konferenz in Marrakesch nicht teilzunehmen und erst einmal das Parlament beraten zu lassen.

Global gesehen sind Kritiker des Paktes in der Minderheit: Derzeit sieht es so aus, dass etwa 180 der 193 UN-Mitgliedstaaten dem Pakt am kommenden Montag in Marrakesch zustimmen werden. „Regierungen, die kritische Anmerkungen haben, können diese in der Aussprache äußern. Das wäre auch hilfreich, denn derzeit ist unklar, welche Sorgen genau die Kritiker eigentlich haben“, sagte die UN-Sonderbeauftragte für den Pakt, Louise Arbour.

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