Minderheit in Pakistan: Staatlich verordnete Diskriminierung

Die Minderheit der Ahmadiyya werden in Pakistan seit Jahrzehnten verfolgt. Nach einer Verfassungsänderung wurden sie gar zu Nicht-Muslimen erklärt.

Leben gefährlich: Ahmadiyya-Anhänger in Pakistan. Bild: dapd

Bangkok taz | Die Verfolgung von Ahmadiyya-Anhängern hat in Pakistan schon wenige Jahre nach der Staatsgründung begonnen. Bereits 1952 wetterten religiöse Parteien gegen die Gruppe und verlangte von Ladenbesitzern, Ahmadis den Zutritt zu verwehren. Die Muslimliga von Staatsgründer Muhammad Ali Jinnah – der bereits 1948 gestorben war – schloss sich der Hetze an. Sie forderte im selben Jahr, die Ahmadiyya aus der islamischen Gemeinschaft auszustoßen. Ahmadiyya-Anhänger wurden immer öfter zum Ziel von Angriffen.

Ein Jahr später griffen Mitglieder radikaler Gruppen erneut Ahmadiyya-Anhänger an. Es kam zu Plünderungen und Morden. Die Regierung und das Militär verhängten zum ersten Mal das Kriegsrecht. In den folgenden zwei Jahrzehnten drängten die Regierungen die Radikalen zurück. Die Ahmadiyya blieben weitgehend unbehelligt.

Anfang der 1970er-Jahre stürzte der pakistanische Staat in eine tiefe Sinnkrise. Nach einem blutigen Unabhängigkeitskrieg und einer Intervention Indiens hatte sich Ost-Pakistan vom pakistanischen Staatsgebiet abgespalten und war zu Bangladesch geworden. Radikale Gruppen wurden aktiver. 1973 riefen die – damals wie heute relativ unbedeutenden – religiösen Parteien des Landes Saudi-Arabiens König Faisal bin Abdulaziz dazu auf, von Pakistans Regierung ein Verbot der Ahmadiyya zu fordern, was dieser wenige Monate später tat. Die Islamische Weltliga erklärte die Ahmadiyya 1974 zur „Irrlehre“ und deren Anhänger zu Nicht-Muslimen.

Pogrome gegen die Minderheit

Pakistans damaliger Premier Zulfikar Ali Bhutto versuchte, sich davon nicht beeinflussen zu lassen. Dennoch konnte er im September 1974 eine umstrittene Verfassungsänderung nicht verhindern, in der die Ahmadiyya zu einer nicht-muslimischen Minderheit erklärt wurden. Mitglieder radikaler Gruppen nahmen das zum Anlass, um ihre Kampagnen gegen die Ahmadiyya-Anhänger zu verstärken. Es kam zu regelrechten Pogromen gegen Mitglieder dieser Gruppe. Etliche Ahmadiyya flohen daraufhin aus Pakistan.

Die Ahmadiyya-Bewegung wurde 1889 in Indien von Mirza Ghulam Ahmad gegründet. Seine Anhänger sehen in ihm einen von Gott gesandten Propheten und verstehen sich als Reformer, deren Aufgabe es sei, den islamischen Glauben in seine ursprüngliche Form zurückzuführen. Heute leben geschätzt zwischen drei und vier Millionen Ahmadis in Pakistan.

Dort werden sie seit den 1980er-Jahren auch offen vom Staat verfolgt. 1984 erließ der Militärdiktator und religiöse Eiferer Zia ul-Haq eine Anordnung, die es den Ahmadiyya verbot, islamische Segenssprüche zu verwenden, zum Gebet auszurufen und ihre Gebetshäuser als Moscheen zu bezeichnen. Mehrere führende Ahmadiyya-Geistlichen flohen daraufhin aus dem Land. Im Mai 2010 wurden bei zwei zeitgleichen schweren Anschlägen auf Ahmadiyya-Gotteshäuser in Lahore 86 Menschen getötet.

Die Verfolgung von Ahmadiyya-Anhängern beschränkt sich jedoch nicht nur auf Pakistan. 2009 hat es ein Religionsrat im malaysischen Bundesstaat Selangor Ahmadiyya-Anhängern verboten, Freitagsgebete abzuhalten. Ein Gesetz aus dem Jahr 2008 verbietet es Ahmadiyya-Anhängern in Indonesien, neue Anhänger zu ihrem Glauben zu „bekehren“. 2011 kam es dort zu einem Überfall auf ein Ahmadiyya-Glaubenszentrum, bei dem ein Mob drei Menschen getötet hat. Die Angreifer wurden zu geringen Freiheitsstrafen von lediglich drei bis sechs Monaten verurteilt.

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