Missstand in der Pflege: So sieht Fachkräftemangel aus

In mehreren Altenheimen gibt es derzeit Belegungsstopps. Weil Personal fehlt, kommt es in Pflegeeinrichtungen zu Missständen.

Viel zu wenig Leute wollen sich professionell um demente Menschen wie diese Dame kümmern Foto: David Hecker/dpa

BREMEN taz | In der Pflege nimmt der Fachkräftemangel in Bremen konkrete Formen an. Die Wohn- und Betreuungsaufsicht hat in gleich mehreren Pflegeheimen Belegungsstopps erzwungen. Die drängendsten Probleme: unzureichende Ausstattung mit Fachkräften. Die Heimaufsicht stellte Mängel infolge von zu wenig Personal fest.

Die Heimaufsicht bestätigt taz-Informationen, nach denen es derzeit Belegungsstopps in gleich drei Einrichtungen gibt. Die Qualität leidet unter Personalmangel. Bernd Schneider, Sprecher der Sozialbehörde, sagt: „Es gibt derzeit sieben Einrichtungen, wo durch Personalmangel die Qualität spürbar beeinträchtigt ist. Dabei muss nicht die Qualität der Pflege schlecht sein, teils sind nur Abläufe und Dokumentationen nicht zufriedenstellend.“ Die Heimaufsicht sei in allen Einrichtungen, berate oder erteile Auflagen zum Abstellen der Mängel.

Zwei der Einrichtungen mit Problemen sind etwa das Pflegezentrum Marcusallee am Rhododendronpark und das Haus O’Land der Convivo-Gruppe in Oberviehland.

In der Marcusalle gab es laut Heimaufsicht über einen mehrmonatigen Zeitraum keine Leitung, ein deswegen ausgesprochener Belegungsstopp ist inzwischen wieder aufgehoben. Angehörige berichteten über teilweise unhaltbare Zustände in der Pflegeeinrichtung. Inzwischen besitzt die Einrichtung wieder eine kommissarische Leitung. Bernd Schneider, Sprecher der Sozialbehörde, sagt: „Aber das heißt nicht, dass alle Mängel behoben sind. Die Wohn- und Betreuungsaufsicht begleite die Aufarbeitung weiterhin eng.“

Noch aktuell ist der Belegungsstopp im Demenzzentrum Haus O’Land in Obervieland. Bei einer unangekündigten Prüfung der Heimaufsicht stellte diese fest, dass die Fachkraftquote nicht ausreichend war: Es fehlten zweieinhalb Stellen. Die Einrichtung legte sich infolgedessen selbst einen Belegungsstopp auf. Schneider sagt: „Wenn sie ihn nicht selber auferlegt hätten, hätten wir ihn verhängt. Aber wenn es um Personalunterhänge geht, gibt es ein objektives Problem: Der Markt ist leer.“ Er sagt: „Der Träger ist kooperativ und hat Interesse, die Mängel in den Griff zu kriegen.“

Vor Ort bestätigt sich dieser Eindruck. Beim Haus O’Land handelt sich um ein Pflegeheim, das nur demente BewohnerInnen hat. Es hat 82 Betten, davon sind derzeit wegen der unzureichenden Fachkräftequote nur 64 belegt. Stephanie Thiele, die Heimleitung, sagt: „Die Fachkräfte sind einfach nicht da. Es wird immer gesagt, dass wir die Quote erfüllen sollen, aber wie wir das machen sollen, sagt keiner.“ Durch Krankheiten, Schwangerschaften, aber auch Sterbefälle könne es passieren, dass man kurzfristig unter die Fachkraftquote rutsche.

Andere Länder lösen das Problem, indem sie einfach ihre Fachkräfteschlüssel für Pflegeeinrichtungen verändern oder auch andere Berufe als Pflegefachkräfte anerkennen. Niedersachsen etwa erkennt Heilerziehungspfleger als Fachkräfte an, in Bremen gelten diese jedoch nur als Hilfskräfte. Thiele sagt: „Wir haben immer genug Mitarbeiter da, aber zeitweise einfach nicht genug Fachkräfte.“ Im Haus seien in der Regel sieben MitarbeiterInnen, Pflegehilfskräfte und Auszubildende eingerechnet, aber auf Stelleninserate reagiere kaum jemand. Thiele sagt: „Ich habe sogar schon überlegt, in Stellenanzeigen reinzuschreiben, dass es beim Bewerbungsgespräch eine Pizza gratis gibt.“

In der Einrichtung wird das grundlegende Problem des Fachkräftemangels plastisch: Timm Klöpper, stellvertretender Geschäftsführer des Einrichtungsträgers Convivo, sagt: „Wir wollen nicht immer nur jammern, sondern dass der Pflegeberuf die Anerkennung bekommt, die er verdient. Alle hier arbeiten mit viel Herzblut.“ Das öffentliche Bild von der Pflege sei indes sehr negativ, ständig werde bei Missständen in einigen Heimen auf den gesamten Bereich geschlossen: „Das schadet dem Ansehen des Pflegeberufs und sorgt so wieder dafür, dass zu wenig junge Menschen sich für den sicheren und schönen Beruf in der Pflege begeistern.“

Unbesetzte Stellen

72 Auszubildende hat Convivo derzeit, fünf davon sind im Haus O’Land. Gern würden sie mehr ausbilden. Thiele sagt: „Aber zwei Stellen bleiben verlässlich unbesetzt.“ Immerhin werde man im Sommer voraussichtlich eine Auszubildende übernehmen. Eine wertvolle Fachkraft mehr.

Das Grundproblem besteht jedoch weiter. Convivo hat sogar bereits begonnen, im Ausland Arbeitskräfte anzuwerben, etwa in Bosnien. Man sorge mit viel Aufwand für einen Wohnort und Sprachkurse. Aber auch die in Bosnien bereits ausgebildeten Pflegekräfte gelten in Deutschland nicht als Fachkraft. „Sie müssen hier erst ein Anerkennungsjahr machen“, so Thiele. Sie wünscht sich beim Fachkräftemangel ein staatliches Programm: „Wir müssen anerkennen, dass wir ein Einwanderungsland sind und auf ausgebildete Menschen aus dem Ausland angewiesen sind.“

Der Senat ist um Nachschub bemüht. Schneider sagt: „Wir haben dreimal so viele Schulplätze in Berufsschulen wie noch vor drei, vier Jahren, aber das reicht noch nicht.“ Arbeitslosigkeit gebe es im Pflegebereich nicht, sagt Schneider – „Die Fachkräfte können sich aussuchen, wo sie hingehen.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.