Mitsprache beim AKW-Neubau in Litauen: 2,7 Millionen Stimmen – theoretisch

Per Referendum darf Litauens Bevölkerung über den Bau eines AKWs mitentscheiden. Die Frage ist aber, ob sich genügend Bürger an der Abstimmung beteiligen.

Die Beteiligung bei den Parlamentswahlen 2008 lag bei 48,5 Prozent. Deswegen scheiterte auch ein parallel stattfindendes Atom-Referendum am Quorum. Bild: dapd

STOCKHOLM taz | Litauens Anti-Atom-Opposition hat einen wichtigen Teilsieg errungen: Eine Mehrheit des Parlaments in Vilnius stimmte am Montag dafür, ein Referendum über die von der Regierung verfolgten Pläne zum Bau eines neuen AKW abzuhalten. Gleichzeitig mit den Parlamentswahlen sollen die LitauerInnen am 14. Oktober Ja oder Nein zum Statement sagen: „Ich unterstütze die Konstruktion eines neuen nuklearen Kraftwerks in Litauen.“

Ministerpräsident Andrius Kubilius sprach von einem „unnötigen Referendum“. Seine Mitte-rechts-Regierung hatte angesichts einer wachsenden AKW-Opposition in der Bevölkerung versucht, die Entscheidung über einen Neubau noch vor den anstehenden Parlamentswahlen durchzudrücken.

Derzeit gibt es ein grundsätzliches Übereinkommen mit der der japanischen Hitachi-GE Nuclear Energy über die Lieferung eines 1.300-Megawatt-Siedewasserreaktors. Nicht einig ist man sich über den Preis und über die Frage, in welchem Umfang sich das Unternehmen gleichzeitig als „strategischer Partner“, also als AKW-Mitbetreiber beteiligen soll.

Unklar ist auch, ob sich Lettland und Estland als Mitinvestoren gewinnen lassen. Allein kann Litauen mit seinen 3 Millionen Einwohnern den Neubau, der 6 bis 8 Milliarden Euro kosten dürfte, nicht stemmen. Obwohl Meinungsumfragen eine Ablehnungsrate zwischen 53 und 65 Prozent gegen ein AKW ergeben haben, ist der Ausgang des Referendums alles andere als sicher.

Zwar betonten die meisten Politiker und auch der Vorsitzende der Wahlkommission Zenonas Vaigauskas, dass das Ergebnis der Volksabstimmung, die nach der Verfassung nur „beratenden“ Charakter hat, selbstverständlich bindend sein werde. Doch für die Gültigkeit müssten sich mindestens die Hälfte der Wahlberechtigten an der Abstimmung beteiligen.

Zum Vergleich: Die Beteiligung bei den Parlamentswahlen 2008 lag bei 48,5 Prozent. Auch damals war ein Referendum am Quorum gescheitert. Die Atomlobby dürfte wie schon in der Vergangenheit vorwiegend auf die „Russenkarte“ setzen: die derzeit hohe Abhängigkeit der litauischen Energieversorgung von Russland.

Wer das geplante Atomkraftwerk ablehne, votiere damit gleichzeitig für russische und weißrussische Atomkraftwerke, so die Argumentation. Die AKW-Opposition setzt derweil auch auf wirtschaftliche Argumente: Das Mammutprojekt würde Litauen eine gewaltige Staatsverschuldung aufhalsen.

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