Mögliche Änderung von Paragraf 219a: Der Richter wartet auf die Politik

In Kassel stehen zwei Ärztinnen vor Gericht, weil sie über Schwangerschaftsabbrüche informiert haben. Der Prozess wird vorerst ausgesetzt.

zwei junge Frauen und ein junger Mann demonstrieren mit Schildern gegen den Paragraphen 219a, der Information über abtreibende Ärzte unter Strafe stellt

„Weg mit 219a“: Gegner*innen protestieren seit langem für die Streichung des Paragraphen Foto: dpa

BERLIN taz | Die für Ende Januar und Anfang Februar angesetzten Verhandlungstermine gegen die Kasseler Gynäkologinnen Nora Szász und Natascha Nicklaus sind vorerst ausgesetzt. Die Ärztinnen informieren auf ihrer Webseite darüber, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Nach Paragraf 219a Strafgesetzbuch gilt das als verbotene „Werbung“ für Abtreibungen.

Politisch wird um diesen Paragrafen allerdings gerungen. Im Dezember hat die Bundesregierung Eckpunkte zur „Verbesserung der Information und Versorgung in Schwangerschaftskonfliktlagen“ vorgelegt, im Januar soll ein Gesetzentwurf folgen. Dadurch könnte sich auch der Straftatbestand des Paragrafen 219a ändern.

Die „diesbezügliche legislative Entwicklung“ wolle man abwarten, heißt es nun in der Begründung des zuständigen Strafrichters am Kasseler Amtsgericht vom Donnerstag. Von einer „klugen“ Entscheidung sprach Nora Szász. „Es wäre absurd, wenn wir trotz absehbarer Neuregelung nach dem bestehenden Paragrafen verurteilt würden“, sagte die Ärztin. Sie sei erleichtert, jeder Prozess stelle eine Belastung dar.

Union sträubt sich

Dennoch bekräftigte Szász ihre Kritik an den Eckpunkten der Bundesregierung. „Ob der Gesetzentwurf uns wirklich die nötige Rechtssicherheit bringt, die wir brauchen, oder ob wir künftig bloß auf Listen verweisen dürfen, wird sich zeigen“, sagte sie.

Die Eckpunkte bleiben in diesem Punkt sehr schwammig. Dort heißt es, man werde „rechtlich ausformulieren, dass und wie Ärztinnen und Ärzte sowie Krankenhäuser über die Tatsache informieren können, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen“ sowie auf Informationen anderer Stellen hinweisen dürfen. 


Schon im Dezember hatten die angeklagten Ärztinnen betont, eine echte Lösung sei für sie nur die Streichung des Paragrafen. Dagegen jedoch sträubt sich die Union, die an Paragraf 219a unbedingt festhalten will. Die SPD wollte ihn ursprünglich streichen, sah sich jedoch durch die neu eingegangene Koalition mit der Union gezwungen, ihren eigenen Antrag dazu auf Eis zu legen.

Dass die Verhandlungstermine aufgehoben seien, freue ihn, sagte Johannes Fechner, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, der taz. „Die Ärztinnen sind nach einer Vorschrift angeklagt, die aus unserer Sicht abgeschafft gehört.“ Dass noch Ermittlungsverfahren und Strafprozesse liefen, verdeutliche noch einmal, „dass Handlungsbedarf besteht und dass wir zügig zu einer Lösung kommen müssen“, sagte Fechner.

Seit dem Frühjahr verhandeln Justizministerin Katarina Barley, Frauenministerin Franziska Giffey (beide SPD), Gesundheitsminister Jens Spahn, Kanzleramtschef Helge Braun (beide CDU) über eine Lösung, später stieß Innenminister Horst Seehofer (CSU) dazu.

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