Morales erzürnt Menschenrechtler: Staatliche Attacke auf Menschenrechte

Boliviens Staatschef fordert auf der Versammlung der Organisation Amerikanischer Staaten eine „Neugründung“ und stellt die Menschenrechtskommission in Frage.

Staatschef Evo Morales auf der OSA-Generalversammlung im bolivianischen Cochabama. Bild: dapd

COCHABAMBA taz | Die 42. Generalversammlung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) im bolivianischen Cochabamba stand unter dem Motto „Ernährungssicherheit“. Doch Evo Morales und Rafael Correa, die linken Staatschefs Boliviens und Ecuadors, nutzten die Tagung zu einer Attacke auf das Interamerikanische Menschenrechtssystem, vor allem auf die in Washington ansässige Interamerikanische Menschenrechtskommission.

Die Kommission beanstande Menschenrechtsverletzungen nur in Ländern, deren Regierungen nicht die Politik der USA teilten, sagte Morales und forderte eine „Neugründung“ der OAS, nach der die „Achtung der Menschenrechte nicht nur in Lateinamerika überwacht wird, sondern auch in den USA“.

In der Tat hat der US-Kongress den Beitritt Washingtons zur Interamerikanischen Menschenrechtskonvention, der 1977 unter dem demokratischen Präsidenten Jimmy Carter beschlossen worden war, bis heute nicht ratifiziert.

„Es gibt zwei Wege“, rief Morales zum Schluss seiner Eröffnungsrede. „Entweder die OAS stirbt im Dienst des Imperiums oder sie wird wiedergeboren, um den Völkern Amerikas zu dienen.“

Schützenhilfe bekam er von Rafael Correa, der als einziger Staatschef angereist war. Die Delegationen auf den Generalversammlungen werden bestenfalls von den Außenministern geleitet, die USA und Brasilien schickten hohe Funktionäre.

Kommission verlegen

Der Ecuadorianer Correa geißelte die „Doppelmoral“ der „hegemonischen Länder“ und sprach sich dafür aus, die Kommission in ein Land zu verlegen, das Mitglied der Konvention ist.

„Wenn es keinen Wandel gibt, müssen wir die OAS abschaffen“, sekundierte Venezuelas Staatschef Hugo Chávez aus Caracas. Konkret möchten die Regierungen des linken Alba-Bündnisses, dass die Aktivitäten von Menschenrechtskommission und -gericht im Vorfeld stärker mit den Regierungen abgestimmt werden.

Auch der chilenische OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza macht sich für „freundschaftliche Lösungen“ stark.

So sollen Schutzmaßnahmen für Menschenrechtsaktivisten ebenso eingeschränkt werden wie die Berichterstattung über die Meinungsfreiheit. Kritische Länderberichte sollen abgeschafft werden.

Menschenrechtler sind entsetzt

Diskreter Rückhalt für diese Bestrebungen kommt aus Mexiko, Kolumbien, Argentinien, Peru und Brasilien, das letztes Jahr vom Gerichtshof wegen der juristischen Unregelmäßigkeiten beim Staudammprojekt Belo Monte in Amazonien gerügt worden war.

Menschenrechtler sind entsetzt: 27 Organisationen aus der gesamten Region protestierten gegen die Pläne. „Das Interamerikanische Menschenrechtssystem hat Leben gerettet und hilft dabei, öffentliche Politik zu orientieren“, meint Juana Kweitel von der brasilianischen Gruppe Conectas.

Sie lobt die Mitglieder der Kommission und die Richter als engagierte, unabhängige Experten, deren kritischer Blick bei etlichen Regierungen eher als Bedrohung denn als Hilfe wahrgenommen werde.

Nun soll eine außerordentliche OAS-Versammlung „spätestens im ersten Trimester 2013“ über die Reformpläne befinden. Die umstrittenen Maßnahmen zur „Modernisierung“ sind damit nicht vom Tisch, und durch eine „Universalisierung“ sollen die USA und Kanada ebenfalls ins Visier des Menschenrechtsgerichtshofs genommen werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.