Musikalische Arbeitsgeräte: Ein Kettensägenmassaker live, bitte!

Lieblich pustet der Laubbläser im Herbst. Das neue Album eines Geräteherstellers zeigt, was darüber hinaus noch alles möglich ist.

Man pustet Laub im Park weg

Satter Sound, grandiose Bühnenshow: ein Laubbläserkonzert im Park. Foto: dpa

Die Laubbläsersaison ist eröffnet. Was dem Langschläfer ein herbstliches Ärgernis bereitet, ist für Freunde außergewöhnlicher industrieller Musik nur der Auftakt für eine Festivalsaison voller Faszination.

Denn nicht nur Laubbläser kommen im Herbst verstärkt zum Einsatz, sondern auch Heckentrimmer, Rasenmäher und Kettensägen. Schließlich will der Garten winterfest gemacht werden und der Kamin braucht reichlich Holz.

Wer nun nicht warten mag, bis das Summen, Scheppern, Klirren, Röhren und Rattern allüberall in den Dörfern und Vorstädten Deutschlands mal lieblich, mal kräftig erklingt, dem seien einige Tonspuren empfohlen, die der Arbeitsgerätehersteller Stihl vor ein paar Monaten auf die Audio-Plattform Soundcloud gestellt hat.

Vom Industriesauger zum klassischen Laubbläser, vom Graskanten- und Gestrüpp-Freischneider zur leichten Benzin-Heckenschere und von der schweren Motorsäge über den Hochdruckreiniger bis zum Trennschleifer ist alles dabei.

Der Nass-/Trockensauger SE 122 zum Beispiel liefert den perfekt Sound zum Chillen am Abend oder am Wochenende. Summen und Brummen wechseln sich gekonnt ab, der Höhepunkt ist ein flirrendes Rauschen beim Übergang vom Trocken- zum Nasssaugen. Der Motorsense FSE 81 hingegen sind Höhepunkte fremd; wie eine Mischung aus Moskitosirren und Zahnarztbohrer besticht der Sound in seiner Gleichmäßigkeit, unterbrochen nur von wenigen Synkopen, die elegant und minimalistisch Betonung einstreuen.

Eine Sekunde Punk inmitten der deutschen Kleinholzordnung

An Ewigkeit gemahnt der Benzin-Laubbläser BG 86. Alles, was Mode und Zeitgeist ist, wird monoton-tiefkehlig hinweggepustet

Ganz anders die Akku-Kettensäge MSA 200 C-BQ: Da ist überall Betonung, viel zu viel Betonung, satt klingt der Sound, auch selbstgefällig, außerdem abgewandt, l‘art pour l‘art. Dann aber, nach neun von zehn Sekunden des Tracks, brechen einige Töne aus – brachial, ungehobelt, eine Sekunde des Punk inmitten der deutschen Kleinholzordnung. An Ewigkeit gemahnt der Benzin-Laubbläser BG 86. Alles, was Mode und Zeitgeist ist, wird monoton-tiefkehlig hinweggepustet, auf dass die Welt plan werde.

Dieser Beitrag wird am Freitag zwischen 17 und 18 Uhr neben vielem anderen auch im taz-Mixtape auf Byte.fm zu finden sein. Hören Sie mal rein.

Tief in den Death Metal führt der Trennschleifer TS 500i. 24 Sekunden lang kündet der Song von Unzulänglichkeiten, Veränderung und Transformation. Er ist Musik und Inszenierung zugleich, das Hässliche wird ästhetisiert, das Totalitäre des 20. Jahrhunderts scheint noch einmal auf, um gründlich und gnadenlos in seine Bestandteile zerlegt zu werden.

TS 500i ist eindeutig das Highlight des Albums – eine Single-Auskopplung könnte lohnen. Und er ist es umso mehr, als das Arrangement der Stihl-Tonspuren auf Soundcloud systematisch zu ihm hinführt. Am Ende sprühen die Funken, stehen Zerstörung und Befreiung.

Was fehlt, ist das Zusammenspiel. So einzigartig die Instrumente auch klingen, so variabel zwischen House, Industrial und Metal die Virtuosität in ihrer Bedienung auch hervorbricht, so kunstvoll die Bandbreite an Sound auch bedient wird – erst als Ensemble wird sich die wahre Größe dieser Musik entfalten können. Deshalb: Songs auf Soundcloud sind gut, ein Live-Konzert wäre besser.

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