NSU-Prozess in München: Zschäpes Oma sagt nicht aus

In Eisenach nahmen sich die NSU-Terroristen Mundlos und Uwe Böhnhardt 2011 das Leben. Kurz danach soll Beate Zschäpe in der Stadt gewesen sein, sagt eine Zeugin.

Eisenach, die Stadt, in der jeder jeden kennt. Bild: dpa

MÜNCHEN dpa/afp | Eine Zeugin will die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe zwei Tage nach ihrer Flucht aus Zwickau im thüringischen Eisenach gesehen haben. Zschäpe sei ihr auf der Straße entgegengekommen, in der das abgebrannte Wohnmobil ihrer mutmaßlichen Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt stand, sagte die Zeugin am Dienstag im Münchner NSU-Prozess. Sie sei Zschäpe bis auf etwa vier Meter nahegekommen.

Mundlos und Böhnhardt waren nach einem Banküberfall am 4. November 2011 in Eisenach entdeckt worden und sollen dann ihr Wohnmobil angezündet und sich selbst das Leben genommen haben. Daraufhin war die über Jahre laufende Serie von zehn Morden und zwei Sprengstoffanschlägen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) aufgeflogen. Ob Zschäpe vor, während oder nach dem Überfall in Eisenach war, ist unklar. In Zwickau setzte sie die konspirative Wohnung des NSU-Trios in Brand.

Die Frau sei ihr sofort aufgefallen, „weil ich sie vorher noch nie gesehen hatte“, sagte die Zeugin weiter. Außerdem sei sie spürbar teilnahmslos gewesen. „Sie hat nur nach unten geguckt, nicht nach links und rechts.“ Später hätten ihr Kripo-Beamte eine Auswahl Bilder gezeigt, auf denen sie Zschäpe „zu neunzig Prozent“ wiedererkannt habe.

Das mit Spannung erwartete Aufeinandertreffen von Beate Zschäpe und ihrer Großmutter im fällt hingegen aus: Eine für Donnerstag geplante Zeugenaussage von Anneliese A. sagte das Oberlandesgericht München am Dienstag wegen einer Erkrankung der Seniorin ab. Da diese zudem angekündigt habe, von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht als Angehörige der Angeklagten Gebrauch zu machen, sei kein Ersatztermin für die Vernehmung geplant.

Das Wiedersehen der 39-jährigen Zschäpe mit ihrer Großmutter war wegen der engen emotionalen Bindung der beiden mit großer Spannung erwartet worden. Nach ihrer Festnahme im November 2011 hatte Zschäpe gegenüber Ermittlern gesagt, sie sei ein „Oma-Kind“. Die mutmaßliche Rechtsterroristin war als Kind mehrere Jahre lang von der Großmutter aufgezogen worden. Die Großmutter hatte Zschäpe wenige Wochen nach ihrer Festnahme in Köln in der Untersuchungshaft besucht.

Im Juni 2012 wurde Zschäpe zudem kurzzeitig in die Justizvollzugsanstalt Gera verlegt, damit ihre bereits damals nur eingeschränkt reisefähige Großmutter sie dort in der Nähe ihres Wohnorts leichter besuchen konnte. Zschäpe, die im NSU-Prozess bislang jede Aussage verweigert, machte damals bei der Fahrt von Köln nach Gera auch Aussagen gegenüber den sie begleitenden Polizisten. Diese wurden über Zeugenaussagen in den NSU-Prozess eingeführt.

Zschäpe soll zusammen mit den beiden Neonazis Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die NSU gebildet haben. Dem NSU werden unter anderem zehn Morde und zwei Bombenanschläge angelastet, Tatmotiv soll Ausländerhass gewesen sein. Der unerkannt im Untergrund agierende NSU flog erst auf, nachdem sich Mundlos und Böhnhardt nach einem missglückten Banküberfall Anfang November 2011 das Leben nahmen.

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

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■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

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