Nach Mord durch Neonazis in Athen: „Blut schreit nach Rache“

Die Griechen trauern um Linksaktivist Fyssas und fürchten neue politische Gewalt. Premier Samaras erwägt ein Verbot der Neonazi-Partei „Goldene Morgenröte“.

An diesem Ort wurde Pavlos Fyssas ermordet. Bild: dpa

ATHEN taz | „Er ist unsterblich“, riefen Verwandte und Freunde des grausam ermordeten Pavlos Fyssas bei dessen Beerdigung am Donnerstag. Sie riefen aber auch Slogans wie „Das Blut fließt und schreit nach Rache“ – ein alter Kampfaufruf der Widerstandskämpfer aus der Zeit der Militärdiktatur (1967–1974).

Der Linksaktivist war in der Nacht zum Mittwoch in einer Athener Vorstadt erstochen worden. Sein Vater forderte in einem Gespräch mit dem TV-Sender Mega nicht nur Gerechtigkeit, sondern auch Vergeltung: Wer seinen Sohn umgebracht hat, müsse hingerichtet werden, sagte er.

Daraufhin versuchte der konservative Regierungschef Antonis Samaras die Menschen zu beruhigen: Griechenland werde es nicht zulassen, dass die Demokratie im Land ausgehöhlt wird, erklärte er in einer TV-Ansprache. Jedenfalls würde seine Regierung „den Nachkommen der Nazis“ nicht erlauben, das politische und soziale Leben im Land zu vergiften.

Was der Premier genau vorhat, wollte er nicht verraten. Nach Informationen des Onlineportals To Vima denkt er erstmals über ein Verbot der Neonazi-Partei „Goldene Morgenröte“ nach. Vor allem der sozialistische Vizeregierungschef Evangelos Venizelos – von Haus aus Verfassungsrechtler – drängt seit Langem auf ein Verbot, genauso wie der Menschenrechtsbeauftragte des Europarats.

Gefahr von Neonazis im EU-Parlament

Sollte diese Entscheidung fallen, dann möglichst schnell, heißt es in Athen. Sonst bestehe die Gefahr, dass die griechische EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2014 von Krawallen überschattet wird oder dass bei der Europawahl die Neonazis erstmals ins EU-Parlament einziehen. Jetzt wäre viel gewonnen, wenn sich die demokratischen Parteien auf eine gemeinsame Linie gegen die „Goldene Morgenröte“ einigen könnten.

Doch es sieht kaum danach aus: Am Mittwochabend erklärte ein Sprecher der Linksopposition, die Regierung sei für die Eskalation der Gewalt mitverantwortlich. Daher könne sie doch nicht andere Parteien zu einer gemeinsamen Haltung auffordern. Darauf fragte Chryssanthos Lazaridis, ein Berater von Samaras, ob die Linksopposition überhaupt zu den verfassungstreuen Fraktionen im Parlament gehöre.

Auch am Donnerstagmorgen wurde es nicht besser: Bei einer Parlamentssitzung konnten sich die Volksvertreter nicht auf Anhieb darauf einigen, ob eine Schweigeminute für den ermordeten Fyssas angebracht wäre. Der konservative Vizepräsident des Parlaments, Jannis Tragakis, setzte die Entscheidung auf eigene Faust durch.

Aggressive Agitation

Überhaupt werden Ton und Formen der politischen Auseinandersetzung rauer in letzter Zeit. Auch der Chef der rechtspopulistischen Splitterpartei „Unabhängige Griechen“, Panos Kammenos, der mit den Neonazis um Stimmen konkurriert, fiel am Wochenende durch aggressive Agitation auf: Am Rande einer Parteiveranstaltung im Norden Griechenlands ermunterte er seine Anhänger, den sozialistischen Bürgermeister der Region zu „lynchen“.

Am Mittwochabend lief Kammenos selbst Gefahr erschlagen zu werden: Nachdem er sich überraschend auf einer Protestkundgebung gegen Neonazis blicken ließ, wurde der Rechtspopulist von Demonstranten mit Fäusten angegriffen.

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