Nachbarschaftsstreit im Norden: „Von einem neuem Geist getragen“

Bremen kündigt das Gastschulabkommen mit Niedersachsen, will aber weiter verhandeln.

Frau Lehrerin, ich weiß was: Ob ein Schüler in Hamburg oder Schleswig-Holstein wohnt, soll künftig keine Rolle mehr spielen. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

HAMBURG taz |Hamburg und Schleswig-Holstein haben am Dienstag einen Durchbruch bei ihren Verhandlungen über ein Gastschulabkommen erzielt. Schüler der beiden Bundesländer dürfen in Zukunft frei wählen, wo sie auf eine weiterführende Schule gehen. „Unser Entwurf ist von einem neuen Geist getragen: Beide Länder stehen dem Schulbesuch im jeweils anderen Land positiv gegenüber“, teilten Ministerin Britta Ernst und ihr Hamburger Kollege Ties Rabe (beide SPD) in einer gemeinsamen Erklärung mit.

Ganz anders dagegen stehen die Dinge zwischen Bremen und Niedersachsen. Der bremische Senat hat am Dienstag beschlossen, sein Gastschulabkommen mit dem Nachbarland zum 1. August 2018 zu kündigen. „Das muss niemanden beunruhigen“, versicherte eine Sprecherin von Bremens Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD). Schüler aus dem Nachbarland werden bis dahin weiter aufgenommen und jeder Schüler solle auch im anderen Land seinen Abschluss machen können – ganz gleich, wie die Verhandlungen ausgingen. Der Beschluss sei bloß gefasst worden, um ein bisschen mehr Tempo in die Verhandlungen mit Niedersachsen zu bringen. Am 6. September werde das Gastschulabkommen Thema einer gemeinsamen Kabinettssitzung sein.

Laut Abkommen zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein können Schüler nach der vierten und der zehnten Klasse die Schule frei wählen, in Ausnahmefällen auch in anderen Jahrgangsstufen. Eine Klausel garantiert bei stark nachgefragten Schulen den Vorrang der jeweiligen Landeskinder.

Diese Neuregelung gilt aber nicht für die Schüler von Privat-, Grund- und Berufsschulen. Sie sollen weiter im jeweils anderen Land „nur in Fällen besonderer persönlicher Härte“ aufgenommen werden. So steht es in dem damals noch von Schwarz-Gelb (Kiel) und Schwarz-Grün (Hamburg) verhandelten und seit 2011 gültigen Gastschulabkommen. Auch der darin formulierte „Geist“ ist ein anderer: „Beide Länder streben an, grundsätzlich den Schulbesuch ihrer Schülerinnen und Schüler im eigenen Land zu ermöglichen.“ Das alte Abkommen soll noch bis Ende des Jahres gelten.

In Bremens öffentlichen Schulen gab es am Stichtag 15. Oktober 2014 rund 2.000 niedersächsische Schüler; umgekehrt wurden 400 Bremer in Niedersachsen unterrichtet.

In Hamburgs öffentlichen Schulen gab es 2014/15 rund 1.750 Schüler aus Niedersachsen. Wie viele Schüler im Nachbarland unterrichtet werden, hat die Behörde nicht erfasst.

Niedersachsen und Hamburg nehmen Schüler wechselseitig „im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten“ auf, also in der Regel in Härtefällen.

Schleswig-Holstein schickte 2015/16 offiziell rund 2.800 Schüler auf die öffentlichen Schulen Hamburgs. Umgekehrt kamen 900 Hamburger nach Schleswig-Holstein.

Mit dem neuen Abkommen wird Schleswig-Holstein bis 2019 jedes Jahr 100.000 Euro mehr an Hamburg überweisen. 2016 sind es 13,3 Millionen – als Ausgleich dafür, dass mehr Kinder aus Schleswig-Holstein in Hamburg zur Schule gehen als umgekehrt. Unterm Strich bleibt für Hamburg trotzdem ein Defizit von rund elf Millionen Euro stehen.

Durch die Änderung entfalle das unwürdige Ummelden zum Schein, um einen Hamburger Wohnsitz nachzuweisen, lobten die in Kiel an der Regierung beteiligten Grünen. „Ziel bleibt eine gemeinsame Schulentwicklungsplanung mit Hamburg“, teilten sie mit. Die Handelskammer Hamburg stößt ins gleiche Horn: Auch für die Berufsschulen müsse die freie Wahl gelten.

Zwischen Bremen und Niedersachsen gibt es ebenfalls ein deutliches Missverhältnis im wechselseitigen Schulbesuch. Laut Bremer Angaben überweist Niedersachsen pauschal 3,9 Millionen Euro pro Jahr für seine Gastschüler. Das decke nur etwa die Hälfte der Kosten. Diese seien in den vergangenen Jahren gestiegen.

Bremen verlange einen höheren Kostenausgleich für die Inklusion und die beruflichen Vollzeitbildungsgänge, teilte das niedersächsische Kultusministerium gestern auf Anfrage mit. „Aus niedersächsischer Sicht macht die angekündigte Kündigung keinen großen Unterschied“, sagte Ministeriumssprecherin Susanne Schrammar. Ohnehin hätten beide Verhandlungspartner die Notwendigkeit gesehen, neu zu verhandeln. „Wir sind zuversichtlich, zu einer konstruktiven Lösung zu kommen.“

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