Nachruf Alfred Neven DuMont: Der kölsche Citizen Kane

Mit ihm stirbt der letzte Verleger-Patriarch des Landes. Alfred Neven DuMont führte die Zeitungen hart, aber mit Liebe zum Detail.

Alfred Neven DuMont

28. März 1012: Alfred Neven DuMont auf dem Dach des MDS-Verlagshauses in Köln.

Er war einer der letzten deutschen Zeitungszaren. Von Politikern und Verbandsfunktionären umgarnt, mit Bundesverdienstkreuz und zig Ehrenfunktionen ge- und von den allermeisten Beschäftigten des Verlags M. DuMont Schauberg verehrt. Wer in seiner Ära beim „Dümong“, wie die Kölner den Verlag nennen, angeheuert hatte, hatte ein Stellung fürs Leben. Wenn er nicht aufmüpfig wurde. Dieser Zeit trauerten die Mitarbeiter schon länger nach. Nun ist sie endgültig vorbei. Mit Alfred Neven DuMont ist am Samstag einer der letzten Verleger-Patriarchen Deutschlands im Alter von 88 Jahren gestorben.

Alfred Neven DuMont hatte erst im Januar seinen Posten als Aufsichtsratsvorsitzender des Medienhauses M. DuMont Schauberg (MDS) an Christian DuMont Schütte abgegeben, einem Spross des anderen Zweigs der Familie, der das Unternehmen gehört. MDS ist mit mehr als 3.000 Beschäftigten an verschiedenen Standorten einer der größten und ältesten Verlage der Republik. Über Jahrzehnte hat Alfred Neven DuMont das Medienhaus mit mitunter großer Liebe zum Detail geführt.

Und den Mitarbeitern das Leben mitunter schwer gemacht – nicht nur, wenn einer von ihnen einen seiner Romane besprechen oder ihn zu einem Jubiläum ehren musste. „Der Verleger ist traurig“, war einer der vernichtendsten Sätze, die sich Journalisten in der Redaktion des Kölner Stadt-Anzeigers (KStA) von ihren Vorgesetzten anhören mussten, wenn der Herausgeber die Rückmeldung gegeben hatte, dass ihm ein Artikel nicht gefallen hatte.

Politisch ein konservativer Wirtschaftsliberaler, regierte Alfred Neven DuMont sein Medienimperium mit patriarchal-eiserner Hand. Mit seinen Zeitungen beeinflusste der Verleger in elfter Generation die Kölner Politik. Keinen Hehl machte er aus seinem „Bemühen um Meinungsführerschaft“.

Schon mal ausfallend

Bei Widerspruch allerdings konnte der kölsche Citizen Kane auch schon mal ausfallend werden. Der Kölner Ehrenbürger verstehe es hervorragend, sich „im Spannungsfeld zwischen Pressemacht und -missbrauch zu bewegen“, konzedierte selbst einmal der KStA.

Zu MDS gehören neben dem KStA das Boulevardblatt Express, diverse Anzeigenblätter, die Berliner Zeitung, die Hamburger Morgenpost und die Mitteldeutsche Zeitung. Der Versuch, mit dem Kauf der angeschlagenen Frankfurter Rundschau eine überregionale Qualitätszeitung ins Portfolio zu holen, scheiterte.

Der frühere Vorsitzende des Verbands der deutschen Zeitungsverleger war mit Leib und Seele liberal. Einen letzten Eindruck davon konnte sich die Öffentlichkeit noch 2015 beim „Berlikte“-Fest anlässlich des 10 Jahrestages des NSU-Anschlags auf der Kölner Keupstraße machen, bei dem er für ein Zusammenstehen der Gesellschaft gegen Nazis sprach. Der Mann stand für seine Überzeugungen ein. Als der Express vor Jahren ein rassistisches Titelbild über Romakinder veröffentlichte, distanzierte sich der Verleger kurz darauf in der eigenen Zeitung: Der Vorgang erfülle ihn „mit Trauer“.

Lange Tradition des Familienunternehmens

Neven DuMont wurde 1927 als Spross einer Kölner Verlegerdynastie geboren, die bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht. Mit einigem Stolz verwies er stets auf die lange Tradition des Familienunternehmens als vermeintlich unverwüstliches Bollwerk des deutschen Liberalismus.

Schmallippig wurde der Firmenpatriarch allerdings, wenn es um die Jahre zwischen 1933 und 1945 ging. Zu einer selbstkritischen Aufarbeitung der eigenen Verlagsgeschichte fehlte ihm die Kraft. Nicht nur die NSDAP-Mitgliedschaften seines Vaters Kurt und dessen Cousins August Neven DuMont, den damaligen Firmeninhabern, fanden bis vor wenigen Jahren in verlagseigenen Publikationen keinerlei Erwähnung.

Stattdessen betrieb Alfred DuMont Mythenbildung: „Mindestens zweimal in seinem Leben“, schrieb er 1973 über seinen Vater, habe dieser „Unrecht über sich ergehen lassen müssen“: „Zum ersten Mal, als er als überzeugter Demokrat und Liberaler nach 1933 schwer belastet durch sein Bemühen, bis zur letzten Minute das Unheil aufzuhalten, der neuen Bewegung ein Dorn im Auge war.“ Und das zweite Mal, als ihm die Alliierten nach dem Krieg „ohne Berücksichtigung seines tatsächlichen Verhaltens“ verboten hätten, weiter als Zeitungsverleger tätig zu sein.

Angriff auf Springer-Zeitungen

Erst mit der Gründung der Bundesrepublik 1949 und des Wegfalls des alliierten Lizenzzwangs durften die DuMonts wieder Zeitungen verlegen. Alfred, der zuvor in München Philosophie, Geschichte und Literatur studiert und ein Jahr an der Medill School of Journalism in Chicago verbracht hatte, tritt 1953 als Mittzwanziger in das Verlagshaus ein. 1955 übernimmt er die publizistische Leitung des Kölner Stadt-Anzeigers und bringt frischen Wind in die „graue Provinzzeitung“.

Nach dem Wechsel auf die Verlegerseite 1960 gründet Alfred Neven DuMont 1964 das Boulevardblatt Express. Nach dem Tod seines Vaters Kurt wird er 1967 Herausgeber beider Titel. Ein Jahr später greift Alfred Neven DuMont in einem Leitartikel unter der Überschrift „Die Studenten, Springer und die Demokratie“ die „weitgehend einseitige, zum Teil manipulierte Berichterstattung“ der Springer-Zeitungen an und fordert zum Dialog mit den rebellierenden Studenten auf. Aufsehen erregt er vor der Bundestagswahl 1969 mit einem Aufruf im Stadt-Anzeiger zum Regierungswechsel. Die Zeit der CDU sei abgelaufen, die für eine sozialliberale Koalition gekommen.

Eine 13. Führungsgeneration aus dem Kreise der DuMonts wird es wohl nicht geben. Keines der Kinder von Alfred Neven DuMont hat sich bislang als Nachfolger profilieren können. Mittlerweile haben knallharte Medienmanager das Sagen im Verlag, denen es um Rendite und nicht so sehr ums journalistische Renommee geht.

Zuletzt war der Verlag in die Schlagzeilen geraten, weil der Zoll in großem Stil wegen Beschäftigung von Scheinselbstständigen ermittelt.

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