Nachruf Ronald Dworkin: Denker und Citoyen

Er formulierte die Prinzipien eines „gutes Lebens“ und mischte sich auch in politische Debatten ein. Nun ist der Philosoph Ronald Dworkin gestorben.

Der Jurist und Philosoph Ronald Dworkin bei der Verleihung des Balzan-Preises in Rom, 2012. Bild: dpa

Zu den intellektuell schlichteren Argumenten gehört der als Abwertung gemeinte Vorwurf, diese oder jene Behauptung sei „nur“ moralisch und nicht politisch. Das wissenschaftliche Lebenswerk des Philosophen und Juristen Ronald Dworkin besteht darin, diesen biederen Gemeinplatz zu widerlegen.

Moralische Urteile sind nicht beliebig und austauschbar wie Geschmacksurteile, denn moralische Urteile können nur durch andere moralische Urteile belegt oder widerlegt werden.

Entgegen der Auffassung des Rechtspositivismus vertrat Dworkin energisch die These, dass es kein außermoralisches Kriterium für die Beurteilung eines moralischen Urteils geben könne.

Menschen leben in moralisch geprägten Wertsphären und müssen sich in diesen bewegen und orientieren. Was sie sich selbst erlauben, schulden sie auch anderen, womit der letztlich politische Kern jeder Moral bezeichnet ist: wechselseitige Anerkennung.

Das gute Leben

Recht, Politik und Moral sind gleichermaßen um die Begriffe Gleichheit und Würde zentriert. Dass Menschen gleiche Rechte haben, ist nicht davon abhängig, ob diese irgendwo kodifiziert sind, sondern ergibt sich daraus, dass sie Menschen sind.

Dworkin ging über Gerechtigkeitstheorie Kants und John Rawls‘ hinaus, die die rechtliche Gleichheit aller Bürger vertraten, und formulierte die zwei Prinzipien eines „guten Lebens“ in einer gerechten Gesellschaft: Erstens soll jeder und jede ein gutes Leben führen können. Und zweitens ist jeder und jede selbst verantwortlich für das Gelingen seines Lebens.

Damit diese Ziele verwirklicht werden können, bedarf es allerdings – jenseits des bloßen Marktzugangs – eines Ressourcenausgleichs, mit dem moralisch unhaltbare, materielle Ungleichheiten beseitigt werden. Einen Hebel dafür sah Dworkin im Steuersystem.

Bedeutende rechtsphilosophische Werke

Der 1931 in Massachusetts geborene Rechtsphilosoph studierte in Harvard und Oxford und arbeitete zunächst als Anwalt, bevor er 1962 Professor an der Yale Law School wurde. Ab 1969 unterrichtete er in den USA und in England.

Dworkin legte bedeutende rechtsphilosophische Werke vor: „Bürgerrechte ernstgenommen“ (1984), „Die Grenzen des Lebens“ (1994), „Was ist Gleichheit“ (2011), „Gerechtigkeit für Igel“ (2012). Er mischte sich als Citoyen auch immer wieder in politische Debatten ein, zum Beispiel über die Folterpraktiken in Guantanamo oder die Abtreibung. Am 14. Februar ist der 82-jährige Rechtsphilosoph in London gestorben.

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