Naturschützer gegen Naturschützer: Brauchen wir mehr Wildnis?

Zwei Prozent der Fläche Deutschlands sollen bis 2020 Wildnis werden. Dazu muss der Mensch lernen, die Finger von der Natur zu lassen.

Bäume im Bayerischen Wald

Deutsche Wildnis, das sind Farne, Büsche, Buchen und Zecken Foto: dpa

Wildnis, darunter versteht man gemeinhin unberührte Natur. Pflanzen und Tiere, die machen dürfen, was sie wollen. Dschungel, Wüste, Savanne, Tundra. Auch in Deutschland gibt es Wildnis: Wälder, Moore, Seen. Nur sieht man sie kaum. 0,6 Prozent der Fläche gelten als Wildnisgebiete, so groß ist der Anteil der 16 Nationalparks. Doch Ausbau ist geplant. Mit der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt schreibt die Bundesregierung vor: Bis 2020 sollen zwei Prozent des Landes der Wildnis gehören.

Es sollen Schutzzonen entstehen, in denen sich die Natur nach und nach immer ungehemmter entwickeln kann. Nach und nach, denn auch hier wird Hand angelegt, bis eine Art wildnistauglicher Zustand erreicht ist: Bäume aufziehen, Moore vor dem Austrocknen bewahren, Wege in Stand halten. Vor allem in den Randgebieten wird überwacht, dass die Wildnis den Menschen nicht zu nah kommt – kontrolliertes Chaos, Wildnis light.

Diese Entwicklung ist keine Selbstverständlichkeit. Nachdem der Mensch die Natur über Jahrhunderte hinweg bearbeitet, genutzt und verschmutzt hat, ist der Schritt vom Kampf gegen die Wildnis zum Einsatz für sie eine Trendwende. Statt die Welt als großen Garten zu sehen, in dem bestimmte Tiere geschützt, Bestände kontrolliert, Pflanzen gepflegt und Unkraut gejähtet wird, soll der Mensch nun lernen, die Finger von der Natur zu lassen. Der Umwelt zuliebe.

Einer Studie des Bundesamts für Naturschutz zufolge, gefällt der Mehrheit der Befragten Natur besser, je wilder sie ist. Bestimmt spielt da auch ein schlechtes Gewissen hinein: Dass der Mensch schuld am Klimawandel und am Artensterben ist, ist zumindest außerhalb der US-amerikanischen Republikaner und der AfD anerkannt.

Leckt mich doch am Ast! Zwei Prozent der Fläche Deutschlands sollen bis 2020 Wildnis werden. Ungezähmte, um sich greifende Natur. Wie lassen wir die Finger von unserer Umwelt? Die Reportage „Halb so wild“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 20./21 August. Außerdem: Er war der König, er bog den Regenbogen, er sang für „Ton Steine Scherben“. Vor 20 Jahren starb Rio Reiser. Wie sich Freunde, Familie und Künstler an ihn erinnern. Und: Der schlichte Gegenspieler der Uniform. Wie der Herrenanzug zum universalen Kleidungsstück wurde. Am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.

Aber auch hier und heute gibt es Wildnis-Gegner: Förster zum Beispiel, die den Wald lieber nutzen würden, anstatt ihn sich selbst zu überlassen. NaturschützerInnen, die Angst vor dem Kontrollverlust haben: Was wenn der Wald abbrennt? Ist das dann auch Wildnis? Was wenn der Borkenkäfer alle Bäume zerstört? Was wenn ein Tier ein anderes, das bedroht ist, vertreibt? Oder wenn Tiere die anliegenden Äcker verwüsten? Was ist dann wichtiger, die Wildnis oder der Mensch?

Die taz.am wochenende hat sich auf den Weg in die deutsche Wildnis begeben. Auf einen Truppenübungsplatz, auf dem sich die Natur ausbreiten soll, und in den Bayerischen Wald, wo es schon seit vierzig Jahren Wildnis gibt. Wir haben eine Rangerin begleitet, die den Borkenkäfer am liebsten selbst in ihren Wald bringen würde, und Dorfbewohner besucht, die sich Sorgen um Arbeitsplätze und herumliegendes Totholz machen.

Was meinen Sie? Sollten wir der Wildnis mehr Raum geben? Wozu brauchen wir sie überhaupt? Tut es nicht ein guter umweltreundlicher Forst genau so? Sollten Arten auch gegen den natürlichen Lauf der Dinge geschützt werden? Und können wir das überhaupt: die Kontrolle abgeben?

Diskutieren Sie mit!

Die Reportage „Halb so wild“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 20./21. August 2016.

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